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Trainer in Versuchung: Ein unmoralisches Angebot

Haben es Trainer nötig, sich einen bezahlten Claqueur ins Seminar zu setzen, der sie vor den anderen Teilnehmern verteidigt und über den grünen Klee lobt? Einige anscheinend schon. Jedenfalls stößt ein gewiefter Unternehmer mit seiner Geschäftsidee, sich als 'Undercover-Unterstützer' des Trainers in Seminare einzuklinken, keineswegs bei jedem Weiterbilder auf empörte Ablehnung.

'Ich habe das zunächst für einen Witz gehalten.' - So wie Holger Petersen, Präsident des Berufsverbandes der Verkaufsförderer und Trainer (BDVT), Köln, dürften viele Seminaranbieter reagiert haben, als sie Ende Januar 2006 ein anonymisiertes Rundschreiben mit befremdlichem Inhalt in ihrem E-Mail-Postfach vorfanden. Der Brief beginnt ganz harmlos: 'Ich möchte gerne Ihr Seminar besuchen,' eröffnet der Schreiber, ein 'Unternehmer aus dem Großraum Stuttgart' treuherzig. Doch dann kommt es knüppeldick: Der Verfasser der Anfrage ist nämlich alles andere als ein normaler Weiterbildungsinteressent, sondern vermarktet sich nebenberuflich als professioneller Undercover-Unterstützer des Trainers.

Gegen bare Münze, versteht sich: Für 350 Euro pro Tag, zuzüglich Spesen, kommt er ins Seminar - und konzentriert sich während des gesamten Trainings vor allem auf eines: den Trainer in glorreichem Licht erstrahlen zu lassen. 'Ich kann die Art von Fragen stellen, auf deren Antwort Sie dann noch kompetenter erscheinen werden', beteuert der professionelle Lobpreiser. Und nicht nur das: Auch gute Noten für den Trainer, sollte von übergeordneter Instanz der Seminarerfolg abgefragt werden, gehören zum Dienstleistungspaket.

Ebenso die Verteidigung des Trainers gegen jedwede Kritik sowie Loblieder auf ihn in den Seminarpausen - wobei der Kunde allerdings nicht unbedingt auf die Kreativität seines bezahlten Fans zählen muss: 'Sie können mir vorher mitteilen, was ich über Sie erzählen soll', heißt es in der Mail.

Fünfmal war der bezahlte Fürsprecher bereits im Einsatz

managerSeminare ist es gelungen, den Undercover-Unterstützer aufzuspüren. Wie er uns gegenüber enthüllte, ist er seit fast einem Jahr im Geschäft und hat bisher fünf Einsätze erlebt - zwei davon beim selben Kunden, der auch noch für ein drittes Mal Interesse bekundet hat. Die bislang nicht allzu hohe Einsatzfrequenz begründet der Unternehmer damit, dass er selbst keine Zeit für weitere Einsätze habe.

'Jeder zwölfte Seminaranbieter, den ich kontaktiere, scheint sich zumindest mit dem Gedanken zu befassen, mich zu buchen und gibt mir Rückmeldung', weiß der Trainer-Fürsprecher jedoch zu vermelden. Nach eigener Aussage stößt er vor allem bei Neueinsteigern oder Anbietern neuer Seminare auf Interesse.

Sicher: Gerade bei Neulingen im Trainingsgeschäft ist die Unsicherheit oft groß. Aber ist das nun gleich ein Grund, sich eine menschliche Krücke, einen bezahlten Claqueur, fürs eigene schwache Ego ins Haus zu holen? Mit Sicherheit nicht, sind sich Branchenvertreter und Ethik-Experten einig.

'Peinlich und betrügerisch' urteilen Branchen- und Ethikvertreter

BDVT-Verbandschef Petersen etwa betont: 'Wenn einer auf Bezahlung Lobeshymnen singt, ohne dass dafür ein Grund besteht, ist das Betrug.' Ein Betrug, der auch dem Ansehen der Branche schaden könnte. 'Die ist schließlich zurzeit mehr denn je darum bemüht, an Zielen orientierte, messbare Leistungen hervorzubringen', so Petersen. Klaus Dannenberg, Präsident des Forum Werteorientierung, sieht das ähnlich: 'Einfach verwerflich', urteilt der Ethik-Verfechter, der das Angebot aber immerhin, ebenso wie Petersen, für einen Einzelfall hält.

Ein absolutes Novum ist die Angelegenheit auch für Ulf Posé - als Präsident des Ethikverbandes der Deutschen Wirtschaft wohl vertraut mit so mancher Abgründigkeit des Business. Bass erstaunt über die Unverfrorenheit und auch Peinlichkeit des Angebotes, sieht Posé darin gleichwohl ein Zeichen unserer Zeit: 'Darin zeigt sich wieder einmal, dass vielen das Gespür für das, was sich gehört, völlig abhanden gekommen ist.

Ich kann mir sogar vorstellen, dass dem Anbieter gar nicht bewusst ist, dass er da etwas Verwerfliches tut.' Bleibt nur die schwache Hoffnung, dass zumindest die Kunden des Claqueurs gehörig das Trainer-Gewissen zwackt.
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