Das Geschehen auf der Bühne ist in vollem Gange: Verkäuferin und Kundin betrachten ein Schmuckstück. Die Verkäuferin redet ohne Unterlass über Verarbeitung, Herkunft, Material und Preis, die Kundin runzelt die Stirn, sie ist alles andere als begeistert. 'Stopp!,' ruft plötzlich eine der etwa 200 Zuschauerinnen dazwischen. Die Akteure erstarren. – Der Albtraum eines jeden Schauspielers ist in diesem Fall jedoch Methode. Es handelt sich nämlich um die Auftaktveranstaltung zu einem Training für Modeschmuckberaterinnen, durchgeführt vom Berliner Trainingsinstitut SpielPlan.
Was die Beraterinnen hier auf der Bühne erleben ist der worst case: die Präsentation als Desaster. Drei Tage lang haben zwölf von ihnen vier Szenen erarbeitet, in denen die Verkaufssituation schief geht. Die Aufgabe der Zuschauer: Sobald etwas auf der Bühne falsch läuft, sollen sie die Szene stoppen und Handlungsalternativen vorschlagen. Die Akteure spielen die Szene daraufhin neu: Die Handlungsvorschläge werden umgesetzt und die Beraterinnen erleben den Aha-Effekt: So kann es sein, so kann das Desaster vermieden werden.
Was die Verkäuferinnen erleben, ist eine spezielle Form des Unternehmenstheaters: das so genannte Mitmachtheater. Im Gegensatz zum herkömmlichen Unternehmenstheater, bei dem professionelle Schauspieler Themen des Unternehmens auf die Bühne bringen, rezipieren die Mitarbeiter nicht mehr nur, sondern werden selbst aktiv. Auf der Bühne kann der Arbeitsalltag neu geschaffen und ohne ernsthafte Konsequenzen durchgespielt werden. Dabei spielen Metaphern eine große Rolle. Sie erleichtern
es, die realistische Ebene des Unternehmensalltags zu verlassen, Distanz aufzubauen und nach neuen Lösungen zu suchen.
Trotz Metapher und Proberaum fällt es aber längst nicht jedem Teilnehmer leicht, auf der Bühne zu agieren. Ist die Hemmschwelle der Teilnehmer sehr hoch, besteht die Möglichkeit, Schauspieler als Stellvertreter auf die Bühne zu stellen. Sie befragen die Teilnehmer und agieren dann nach deren Handlungsanweisungen. Manchmal greift der Schauspieler aber zu einem Trick und ändert sein Verhalten nicht, um die Mitarbeiter doch noch auf die Bühne zu bringen. Ziel der Provokation: Verärgert von der falschen Reaktion des Schauspielers vergisst der Teilnehmer seine Hemmungen und springt selbst auf die Bühne. Denn erst das eigene Erleben bringt auch Veränderung.
Extras:
- Buchtipp: Rezension des Buches 'Unternehmenstheater in der Praxis' von Peter Flume, Karin Hirschfeld und Christian Hoffmann.
- Info-Kasten: 17 Trainingselemente der Theaterarbeit.
- Marktübersicht: 32 Trainer und Institute, die Theaterelemente in Seminaren anbieten.