'Ich will alles, ich will alles und zwar sofort', sang Gitte Haenning irgendwann Mitte der achtziger Jahre. Eine Botschaft, mit der wir uns als aufgeklärte und selbstbewußte Hedonisten problemlos zu identifizieren vermochten. Die Wirtschaft erkannte unsere mehr oder weniger geheimen Wünsche und erfand unter anderem das Überraschungsei. Mit ihm bekommt man drei Dinge auf einmal: Schokolade, Überraschung und was zum Spielen. Der Erfolg war durchschlagend.
Das Prinzip des Überraschungseies versuchen wir inzwischen auf viele Lebensbereiche zu übertragen. Doch gibt es Transferprobleme. Nehmen wir nur die Politik. Da freuten wir uns auf einen durchsetzungsfähigen, unverbrauchten Kanzler, der dem Reformstau ein Ende bereitet - und zwar ranissimo. Was haben wir stattdessen bekommen? Schlechtes Mannschaftsspiel. Klingt zwar irgendwie folgerichtig, aber das wollten wir nun wirklich nicht.
Natürlich wollten wir einen entscheidungsfreudigen Kanzler. Wir wollten aber auch tolle Teamarbeit, gesellschaftlichen Konsens, ein Bündnis für Arbeit. Es klappt nicht. Kaum ist eine Entscheidung getroffen, schon rufen alle durcheinander: 'So geht das aber nicht!' 'Man kann nicht Politik gegen Hinz und Kunz und schon gar nicht gegen mich machen.' Gut nur, daß sich äußerst problembeladene und komplizierte Soziogramme mit einfachen Mitteln entwirren lassen: Zwei Männer, zwei Meinungen, ein Machtkampf. Showdown.
Richtungsentscheidung nennt man sowas. Die ist verbunden mit dem schmerzlichen Abschied vom Überraschungsei, das alle versöhnt, jedem etwas bietet und keinem wehtut. Sie merken es bereits: Wir sind mittendrin in den Herausforderungen des modernen Managements. Definieren wir es einfach einmal als die Kunst, die Illusion des Überraschungseies möglichst lange aufrechtzuerhalten, um - sobald sich die Illusion als solche herausstellt - möglichst schnelle und möglichst unrevidierbare Entscheidungen zu treffen…