'Die Mitarbeiter sind unser wichtigstes Kapital.' Oft ist der Satz bloß ein laues Lippenbekenntnis. Schließlich kann kaum ein Unternehmen sein Humankapital beziffern. Ein kaum entschuldbares Versäumnis, meinen Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Organisation, Personal- und Informationsmanagement an der Universität Saarbrücken. Sie nämlich haben eine Formel entwickelt, mit der es möglich sein soll, das Humankapital zu berechnen. Vereinfacht gesagt, besteht die Formel aus den Variablen Personal (Mitarbeiterzahl und branchenübliche Vergütungshöhe), Wertverlust (Zusammenspiel von Wissensverfall und Dauer der Betriebszugehörigkeit), Wertkompensation (Personalentwicklung) sowie Wertschwankung (Veränderungen der Mitarbeitermotivation).
Lehrstuhlinhaber Professor Dr. Christian Scholz und seine Kollegen haben die Formel nun auf externe Daten der Dax30-Unternehmen angewandt – und sind auf 'Humankapitalisten und Humankapitalvernichter' (so auch der Titel der Studie) gestoßen. 'Einigen Unternehmen können wir absolute Best-Noten ausstellen. Bei einigen anderen würde ich als Vorstandsvorsitzender und erst recht als Aufsichtsrat den warnenden Finger heben', kommentiert Scholz.
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Insgesamt haben die Dax30-Unternehmen im Zeitraum von 2005 bis 2006 Humankapital in Höhe von insgesamt 9,1 Milliarden Euro vernichtet. Dabei stechen Volkswagen und DaimlerChrysler hervor, die 2006 jeweils gut fünf Milliarden Euro Humankapital gegenüber 2005 verloren haben. Auch das Unternehmen mit dem an sich höchsten Humankapitalwert, der Siemens Konzern, dessen Humankapital die Saarbrücker mit 21 Milliarden Euro beziffern, hat 2006 Humankapital abgebaut, wenn auch in geringerem Ausmaß. Dagegen konnten Firmen wie die Deutsche Postbank, Adidas, Linde, BASF und SAP kräftige Zuschläge in Sachen Humankapital verbuchen. Bezogen auf den Wert des einzelnen Mitarbeiters hat vor allem SAP die Nase vorn: Hier ist der Mitarbeiter 101.410 Euro wert. Bei den Schlusslichtern Hypo Real Estate Holding und Deutsche Postbank beläuft sich der Wert des Mitarbeiters dagegen nur auf 6.317 bzw. 9.508 Euro. Immerhin aber zählen diese Schlusslichter – wie auch Humankapital-König SAP – zu den Firmen, die 2006 gegenüber 2005 ihr Humankapital auch bezogen auf den einzelnen Mitarbeiter Âkräftig angehoben haben.
Mitarbeiterabbau heißt nicht unbedingt HumankapitalabbauInteressant: Steigende Mitarbeiterzahlen können zum Anwachsen des Humankapitals führen, wie bei der Deutschen Postbank, Adidas, SAP und BASF. Sie müssen aber nicht. Bei Firmen wie Henkel und RWE ist das Humankapital z.B. trotz Personalabbaus aufgrund positiver Einflüsse gewachsen. Bei Betrieben wie der Commerzbank, Siemens und BMW dagegen hat es sich trotz Aufstockung des Personals verringert. Aber es gibt auch Firmen, bei denen Personalabbau und sinkendes Humankapital in gefährlicher Allianz existieren, etwa DaimlerChrysler und Volkswagen. Auch fallende oder steigende Personalkosten bedeuten nicht automatisch mehr oder weniger Humankapital. So gibt es laut Studie Firmen mit hohen Personalkosten, bei denen sich die hohen Investitionen aber weder angemessen in den Erträgen pro Kopf noch im Humankapital niederschlagen (etwa Deutsche Bank, Commerzbank und Allianz). Anders Unternehmen wie SAP, Deutsche Lufthansa, Adidas und Metro: Hier liegen die Personalkosten unter dem Humankapital. Diese „Humankapitalisten“ gehen laut Studie aus personalwirtschaftlicher Sicht optimal mit ihren Human Resources um – wenn sie auch (noch) nicht immer mit entsprechend glanzvollen Erträgen aufwarten. Anders die 'Ertragsmaximierer' – Unternehmen wie Hypo Real Estate Holding, Deutsche Börse, RWE und BASF: Sie holen Pro-Kopf-Erträge ein, die teilweise deutlich über den Personalkosten pro Kopf liegen. Doch kommen sie auf relativ wenig Humankapital.