Um halb fünf bricht Hektik aus. 'Männer!', brüllt Küchenchef Harald in breitem Hessisch. 'Haut rein!' Brutzeln, Töpfe klappern, Dampf steigt auf, es riecht nach Gewürzen und gebratenem Fleisch. Die elf Köche wirbeln durcheinander, schneiden, rühren, räumen auf. Knappe Kommandos: 'mach dich nützlich' oder: 'Reibe her'. Aufgerissene Augen, gehetzte Blicke Richtung Uhr. Eine Stunde noch, längst ist nicht alles fertig. 'Ich bin am Limit', stöhnt einer. Dann weiter, durchschnaufen, Konzentration.
Was wirkt wie eine TV-Kochshow kurz vor dem erlösend-erfolgreichen Ende, ist keine. Kein Wettkochen, kein Landgasthof, der auf Vordermann gebracht werden muss, der Restaurant-Tester kommt auch nicht um die Ecke. Was hier im unterfränkischen Heimbuchenthal stattfindet, ist vielmehr eine Fortbildung für Chemikanten. Genauer gesagt für Schichtführer und Vorarbeiter aus der Produktion des Chemie-Giganten Merck KGaA. Sonst stellen die Führungskräfte aus den Werken in Darmstadt und Gernsheim Flüssigkristalle her oder Zutaten für Medikamente. Jetzt, im September 2010, schwingen sie in der Lehrküche einer Volksschule die Kochlöffel. Ums Essen geht es dabei nur vordergründig.
Worum es tatsächlich geht, das wissen die Teilnehmer selbst nicht, noch nicht. Die Zielvorgabe, die sie heute Mittag, am zweiten von drei Seminartagen, bekommen haben, lautet, in kurzer Zeit und mit geringem Budget ein Gala-Buffet für 25 Personen auf die Beine zu stellen: Fünf Vorspeisen, drei Hauptgerichte, Beilagen, Nachtisch, dazu eine festliche Dekoration und ein Vortrag über das Tageswerk. Gäste werden erwartet, alles muss sitzen, Verzögerungen ausgeschlossen. Ein einschüchterndes Projekt für die Schichtführer. Und das nicht nur, weil gerade einmal zwei der elf Teilnehmer über nennenswerte Küchenerfahrung verfügen.
Extras:- Literaturtipps: Hinweise auf drei weitere Reportagen über Personalentwicklung mit ungewöhnlichen Seminar-Settings