'Deutschland ist führend - in den Schlüsselindustrien des 19. Jahrhunderts (Wirtschaftswoche).' 'Die deutschen Manager: phantasielos (Erich Häusler, Präsident des deutschen Patentamtes, München).' Sätze wie diese sägen zunehmend am neuen, nationalen Selbstbewußtsein. Kaum ist der erste Rezessionsschock verdaut, werden immer neue Michel-Mängel sichtbar. Doch zeitgleich zum Frühjahr erwacht die Nation aus der kollektiven Krisenhypnose und sucht nach neuen Lösungen. Soweit, so gut.
Weniger gut ist es, daß gleichzeitig Seminaranbieter Stornos und Auftragsrückgänge von bis zu 70% verzeichnen und sich das Klima für Innovationen immer mehr verschlechtert. Ein Teufelskreis, dabei sind Krisen die beste Gelegenheit, wirklich Neues zu probieren. Gottlieb Guntern, Schweizer Psychiater und Veranstalter des Zermatter Symposiums 'Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft': 'Wir leben in einem 'age of discontinuity', einem Zeitalter der Umbrüche. Darum müssen wir Wege aus der Unordnung finden, sei es durch Intuition, Imagination oder Vision.'
Starke Worte, Sonntagsreden? Nun, aufmerksamen Lesern der Wirtschaftspresse wird es aufgefallen sein, daß nach dem ersten Heulen und Zähneklappern jetzt der Appell an die kollektive Kreativität kommt. Mit Ärmel aufkrempeln und abwarten ist es offensichtlich nicht getan, der Erfolg beginnt im Kopf! Und schon erscheinen seitenlange Sonderausgaben zum Thema Kreativität. Neben einigen Highlights werden da de Bono´s Hütchenspiele bemüht, Kreativitätstechniken aus der Mottenkiste gekramt und meditative Spaziergänge empfohlen. Ernsthaft! Nichts gegen Spaziergänge, ich selbst pflege diese Familientradition seit vielen Jahren, aber ob das die Überholspur ins 21. Jahrhundert ist? Während um uns herum Computer, neuronale Netze und Satelliten kreisen, neue Kommunikationstechnologien und virtuelle Welten entstehen, stammen die empfohlenen Techniken aus der (neurologischen) Steinzeit. Wo lassen Sie denken?…