Schlauer lernen
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Deadlines sind der Tod

Henning Beck erklärt, warum wir uns keine Deadlines für Aufgaben setzen sollten.

Persönliche Frage gleich zu Beginn: Erledigen Sie die Dinge immer sofort oder auf den letzten Drücker? Ich verrate Ihnen, wie es beim Verfassen dieser Kolumne war: Ich war sehr spät dran – und das, obwohl ich mir extra eine Deadline gesetzt hatte! Dabei wurde ich Opfer eines typischen Denkfehlers, der uns gerne die Zeit klaut: Wir schätzen zeitliche Abläufe systematisch zu kurz ein und machen mit Deadlines alles nur noch schlimmer. Wer kennt es nicht aus dem eigenen Leben: Für die Prüfung schiebt man die Dinge gerne so lange auf, bis es kein Entrinnen mehr gibt – um sich dann den Prüfungsstoff in kürzester Zeit in den Kopf zu hämmern.

Menschen schieben aus zwei Gründen Dinge auf die lange Bank: Erstens unterschätzen wir systematisch den zeitlichen Aufwand für ein Projekt, je häufiger wir es gemacht haben. Dieses Phänomen nennt sich „Planning Fallacy“ (Planungstrugschluss) – je besser man sich auskennt, desto eher schnurrt in der zeitlichen Rückschau der Aufwand dafür zusammen. Ein typisches Phänomen haben Sie vor Kurzem bewundern können: das Einkaufen von Weihnachtsgeschenken. Je öfter Sie Weihnachtsgeschenke eingekauft haben, desto häufiger löscht Ihr Gehirn aktiv jene langweiligen und jährlich wiederkehrenden Prozeduren des Geschenkekaufens, bis Sie sich nur noch an die Bescherung erinnern. Genau deswegen rennen viele Menschen am 22.12. los, weil sie schlicht vergessen haben, wie viel Aufwand das Einkaufen bedeutet. Aus demselben Grund laufen übrigens auch Großprojekte zeitlich und finanziell oft aus dem Ruder: je mehr Expertise, desto schlechter werden zeitlicher und finanzieller Aufwand eingeschätzt.

Zum anderen setzen sich Menschen oft Deadlines, um Dinge zu erledigen. Das Problem dabei: Das Gehirn bewertet Ihr zukünftiges Ich wie eine komplett fremde Person und nutzt dafür sogar andere Hirnareale. Mit anderen Worten: Auf Kosten Ihres zukünftigen Ichs lebt es sich leicht. So kann man in Experimenten zeigen: Je weiter eine Deadline entfernt ist, desto eher wird sie als Ausrede fürs eigene Aufschieben genutzt. Es ist sogar besser, sich gar keine Deadline zu setzen als irgendwann in drei Monaten eine. Denn die Zukunft wird von Ihrem Gehirn gnadenlos diskontiert – genauso wie die Vergangenheit.

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Was soll man also tun, um diesem Dilemma zu entkommen? Zunächst ist klar, was Sie nicht tun sollten: Setzen Sie sich keine Deadlines! Oder wenn Sie sich schon eine Zeitschranke verpassen, dann muss diese bitte zeitnah erfolgen (maximal innerhalb weniger Tage). Gerade bei Lern- oder Arbeitsaufgaben ist jedoch wichtig: Portionieren Sie die Dinge, und erledigen Sie sofort einen Teil. Ihr Gehirn lebt nur im Jetzt, vergisst die Vergangenheit und unterschätzt die Zukunft. Nur wenn Sie sofort mit einem Teil beginnen, können Sie unmittelbar eine positiven Bestätigung erleben, die Sie weiter antreibt. So kommt es zu dem, was man in der Wissenschaft „Prä-Krastinieren“ nennt, das Soforterledigen. Menschen werden sofort aktiv, wenn sie einen Nutzen ihrer Arbeit sehen. Genau deswegen lernen Menschen am nachhaltigsten, wenn sie jeden Tag ein bisschen üben – und die 1:5-Regel beachten: Die Pausen, die man zwischen die Einheiten legt, sollten ein Fünftel der Zeit betragen, bis das Gelernte angewendet werden soll. Eine Prüfung in 10 Tagen? Legen Sie sofort los, und machen Sie alle 2 Tage Pause. Diesen Ratschlag erteile ich mir übrigens selber fürs Verfassen der nächsten Kolumne. Ich will ja nicht wieder auf den letzten Drücker arbeiten.

Der Autor: Henning Beck ist Neurowissenschaftler, und zwar einer der verständlichen. In Vorträgen und Seminaren vermittelt er die spannenden Themen des Gehirns. Sein aktuelles Buch heißt „Das neue Lernen heißt Verstehen“. Kontakt: www.henning-beck.com

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