Ein Arzt ist Abteilungsleiter in einem kleinen konfessionellen Krankenhaus. Als der Posten der Klinik-Leitung frei wird, fragt er sich, ob er für die Stelle kandidieren soll. Er führt hierzu einige Gespräche mit Kollegen und zwei Vertretern des Aufsichtsrates. Die Kollegen vermitteln ihm, dass seine Kandidatur nicht erwünscht ist. Doch eines der Aufsichtsratsmitglieder bestärkt den Arzt, so dass dieser eine Bewerbung einreicht. Nach zwei Wochen erhält der Mann einen anklagenden Brief aus der zweiten Abteilung des Krankenhauses. In diesem wird aufgeführt, dass der Arzt an der Auswahlkommission vorbeiintrigiert habe, dass er manipulativ und arrogant sei, dass sich in seiner Aktion sein grundsätzliches Verhalten widerspiegele und dass man seine Kandidatur auf keinen Fall unterstütze. Vom Chefarzt bis zur Sekretärin haben alle aus der betreffenden Abteilung diesen Brief unterschrieben.
Der Arzt ist schockiert und sucht einen Coach auf. Im Coaching will er die Differenzen zwischen seinem Selbstbild und dem Fremdbild bearbeiten. Er fragt sich, ob er im Krankenhaus bleiben soll. Und er möchte wissen, wie er mit der Demütigung umgehen kann.
Die Geschichte ist nicht erfunden, sondern ein Fall aus der Coaching-Praxis von Michael Kramer. Der Coach aus Bad Salzdetfurth schildert den Fall im Herbst 2003 fünf unbeteiligten Kollegen. Und die reden sich die Köpfe heiß. Das Besondere an dieser Zusammenarbeit: Den Beratern geht es nicht darum, dem Kollegen Kramer bei der weiteren Arbeit mit dem speziellen Klienten zu helfen - dies zumindest nicht in erster Linie. Das Anliegen der Coaches ist noch ehrgeiziger: Die Berater wollen über die Besprechung von Coaching-Fällen gemeinsame Qualitätsmerkmale aufspüren, die als Standards von Coaching-Prozessen dienen können.
Extras:
- Fünf Erfolgsfaktoren kollegialer Beratung à la Balint.
- Literaturtipp: Kurzrezension eines Buches zum Thema Coachingpraxis.