Eine knifflige Situation: Da gibt ein wichtiger Kunde bei einem metallverarbeitenden Betrieb eine große Bestellung in Auftrag, doch diese kann nicht so schnell abgewickelt werden, wie es der Kunde wünscht. Die Durchlaufzeiten in der Fertigung sind einfach zu lang, erkennt die Geschäftsleitung. Vermutlich muss an der Ablauforganisation und im Hinblick auf das Hallenlayout einiges geändert werden, damit die Prozesse effizienter werden. Was aber genau zu tun ist, das hat der Manager vor Ort zu entscheiden - will heißen: der Industriemeister.
Das Beispiel zeigt: Meister in der Produktion stehen heutzutage nicht selten vor sehr komplexen, strategischen Herausforderungen. “Im Gegensatz zu früheren Zeiten, in denen es vor allem auf fachliches Know-how ankam, benötigen sie heute auch organisatorische und Führungskompetenzen”, erklärt Anne Rickert vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), Stuttgart. Rickert ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projekts “Meisternetz”, in dessen Rahmen seit Mai 2002 mehrere elektronische Lernmodule entwickelt worden sind, die den Ausbildungsprozess angehender Industriemeister unterstützen sollen.
Einschneidenden Veränderungen ist die dreijährige Meisterausbildung allerdings schon seit längerem unterworfen: 1997 erließen die Spitzenorganisationen von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden (Deutsche Industrie- und Handelskammer, IG Metall und Gesamtmetall) eine neue Prüfungsordnung für Meister, die die heutigen Herausforderungen im Arbeitsalltag besser widerspiegeln sollte als die alte Ordnung, bei der es vor allem um die Abfrage von Fachwissen ging. In der Prüfung kommt es seither auf die Fähigkeit an, ein komplexes, handlungsfeldübergreifendes Problem zu lösen. Sie besteht dementsprechend aus einem schriftlichen Teil, bei dem zwei praxisnahe betriebliche Situationsaufgaben zu bearbeiten sind, und aus einem Fachgespräch, bei dem der Prüfling eine dritte Aufgabe mündlich erörtern muss.