In der Wirtschaftskrise des Jahres 2001 haben die Unternehmen massenweise Mitarbeiter entlassen, bei der gegenwärtigen Rezession stehen die Personalinstrumente Kurzarbeit und Mitarbeiterbindung im Vordergrund. Der Grund: Mit Weitblick betrachten die Unternehmen bereits den Aufschwung nach der Krise – und für den wollen sie gewappnet sein.
Die Wirtschaftskrise schlägt mit voller Wucht auf den Arbeitsmarkt durch: Die Arbeitslosigkeit ist im ersten Quartal 2009 überdurchschnittlich stark gestiegen. Dass die Unternehmen aufgrund der Konjunkturflaute weniger Umsatz machen und Personal abbauen müssen, haben die Personalverantwortlichen bereits Ende vergangenen Jahres prognostiziert. In einer Studie der Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers (PwC) teilte jeder zweite der insgesamt 518 befragten Mittelständler mit, dass er damit rechne, 2009 Mitarbeiter entlassen zu müssen. Und in einer Studie des HR-Dienstleisters Hewitt Associates unter 400 Personalverantwortlichen und Geschäftsführern aus europäischen Unternehmen gaben zwei Drittel der Befragten aus Deutschland an, dass sie eine Reduzierung des Personalbestands in ihrem Hause für notwendig halten.
Dennoch: Der Stellenabbau könnte drastischer ausfallen. Die Unternehmen scheinen aus der Krise des Jahres 2001 gelernt zu haben und sehen die Entlassung von Mitarbeitern nicht als erstes Mittel der Wahl, um der Rezession zu begegnen. Einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Kienbaum zufolge schöpfen die Fimen zunächst andere Maßnahmen der Personalkostenreduktion aus, bevor sie Mitarbeiter freisetzen: 39 Prozent der 500 befragten deutschen Unternehmen reduzieren ihre externen Zeitarbeitskräfte bzw. planen dies. 34 Prozent nutzen oder planen den Überstundenabbau, und 22 Prozent nutzen die Kurzarbeit oder planen deren Einführung.
Kurzarbeit wird gefördertLaut der Bundesagentur für Arbeit ist die Zahl der Anmeldungen für Kurzarbeit seit Ende vergangenen Jahres im Übrigen stark gestiegen – wohl nicht zuletzt aufgrund der Förderung des Instruments: Seit Anfang 2009 erstattet die BA den Arbeitgebern die Hälfte der Sozialbeiträge, die auf Kurzarbeit entfallen. Zudem ist die Kurzarbeit von sechs auf 18 Monate ausgedehnt worden, um Entlassungen zu vermeiden.
Nutzt das Unternehmen mindestens die Hälfte der ausgefallenen Arbeitszeit dafür, seine Mitarbeiter während der Phase der Kurzarbeit weiterzubilden, erstattet die BA die Beiträge zur Sozialkasse vollständig. Zudem beteiligt sich die Bundesagentur an den Weiterbildungskosten. BA-Chef Frank-Jürgen Weise ruft ausdrücklich dazu auf, die Kurzarbeit zur Qualifizierung von Mitarbeitern zu nutzen. 'Denn der demografische Wandel kommt und führt zu einem Mangel an Fachkräften', sagt er.
Weiterbilden in der KriseViele Unternehmen reduzieren jedoch derzeit die Ausgaben für ihre Personalentwicklung. Mehr als jede dritte Firma will weniger als in der Vergangenheit oder keine Qualifizierungsmaßnahmen durchführen, hat das VDI-Wissensforum mit einer Umfrage festgestellt. Laut Geschäftsführer Timo Taubitz ist das der falsche Weg aus der Krise. 'Die Unternehmen können jetzt zwar vermeintlich schnell Kosten sparen, mittel- und langfristig gehen solche Sparmaßnahmen aber auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit', meint er. Wichtig sei, dass die Unternehmen auch in Krisenzeiten innovativ seien. Nur so könnten die Folgen der konjunkturellen Abschwächung gering gehalten werden.
'Nachhaltiges Handeln ist gerade in Zeiten abflauender Konjunktur wichtig', ergänzt Cornelia Zinn-Zinnenburg. Die Geschäftsführerin von Kienbaum Wien weist darauf hin, dass die Unternehmen jetzt in Mitarbeiterbindung und Imagemaßnahmen investieren sollten, um für die wieder anziehende Konjunktur gewappnet zu sein.
Den Firmen ist die Bedeutung der Mitarbeiterbindung zumindest bewusst. So hat eine Studie von StepStone Solutions und Dr. Geke & Associates ergeben, dass die Betriebe – befragt wurden ca. 600 kleine, mittelständische und große Unternehmen aus Deutschland und dem europäischen Ausland – die Identifizierung, Entwicklung, Motivation und Bindung der besten Mitarbeiter als größte Herausforderung sehen.
Erfolgreiche Instrumente werden oft vernachlässigtEiner Studie der HR-Beratung Personnel Decisions InternaÂtional (PDI) zufolge haben sich in der Praxis insbesondere zwei Strategien zur Mitarbeiterbindung bewährt: das Vorantreiben persönlicher Entwicklungsmöglichkeiten und die Vergabe attraktiver Vergütungen und Zuwendungen. Allerdings wird diesen Instrumenten nicht immer oberste Priorität eingeräumt. Vielmehr setzen die Unternehmen zusätzlich auf Strategien, die geringere Erfolgschancen haben. So setzen 63 Prozent der 530 befragten Führungskräfte aus Personalressorts sowie anderen Unternehmensbereichen Modelle mit erfolgsabhängigen Bezahlungen ein, um Mitarbeiter zu halten. Nur elf Prozent geben jedoch an, dass dies auch tatsächlich zum Verbleib der Mitarbeiter im Unternehmen geführt hat. 53 Prozent der Befragten nutzen flexible Arbeitsmodelle (z.B. flexible Arbeitszeit, Homeoffice) als Anreiz zur Mitarbeiterbindung. In nur fünf Prozent der Fälle jedoch hat das Instrument den gewünschten Erfolg gebracht.
Die Studie macht laut Mathias Kesting, Geschäftsführer von PDI-Deutschland, deutlich, dass viele Personalverantwortliche nach dem Gießkannenprinzip agieren, statt sich auf ausgewählte Maßnahmen zu konzentrieren. 'Im Rahmen der Mitarbeiterbindungsstrategie sollten Schwerpunkte gesetzt und strategische Entscheidungen getroffen werden, um leistungsstarke Mitarbeiter weiterhin zu verpflichten und zu motivieren', sagt Kesting. Führungskräfte sollten mit wichtigen Mitarbeitern Einzelgespräche führen und ihnen zeigen, wie sehr das Unternehmen ihre Leistungen wertschätzt. Zudem könnten Vorgesetzte ihren Mitarbeitern anbieten, an wichtigen Strategiediskussionen teilzunehmen. Dies zeige, dass der Mitarbeiter als fester Bestandteil des Unternehmens gesehen und in die Entwicklung von Unternehmenslösungen und Managementaufgaben eingebunden werde.