Zu konzentriert, um wahrzunehmen: In einem Experiment an der Universität Illinois sollten die Probanden eine Videoaufzeichnung eines Basketballspiels ansehen und zählen, wie oft sich das Team im weißen Trikot den Ball zuspielt. Die Trefferquote lag bei 90 Prozent. Was aber so gut wie niemand bemerkte: Ein schwarzer Gorilla querte seelenruhig das Spielfeld, legte dabei sogar eine Pause ein, um sich auf die Brust zu trommeln.
Der mittlerweile recht berühmte Versuch, der als nette Anekdote am Rande durchgehen könnte, verweist bei näherem Hinsehen auf ein ernstes Defizit: die Kontextblindheit des Menschen. Während er sich auf seine Aufgaben, Ziele, Projekte, Kennzahlen konzentriert, übersieht er Zusammenhänge, verliert sie aus den Augen und wird damit blind für Entwicklungen, die sich in der Peripherie abspielen. So freut sich zum Beispiel ein Manager, der auf einem gesättigten Markt tätig ist, über konstant gute Umsätze. Dabei entgeht ihm aber, dass der Markt anfängt, auszufransen und zu wachsen – sein Unternehmen de facto bereits Marktanteile verliert.
Ein Indiz dafür, wie verbreitet Kontextblindheit in der Business-Welt ist, liefert eine Befragung, die Fuld-Gilad-Herring Academy of Competitive Intelligence in Cambridge kürzlich unter Strategie-Spezialisten aus 140 amerikanischen Betrieben durchgeführt hat. Zwei Drittel von diesen gaben an, während der vergangenen fünf Jahre von bis zu drei einschneidenden Entwicklungen beim Wettbewerb überrascht worden zu sein. Aber auch Projekte und Maßnahmen, die sich in Richtung Sinnfreiheit selbstständig machen und Lösungen, die sich dann als das eigentliche Problem entpuppen, sind ebenso eindeutige wie verbreitete Zeichen für Kontextblindheit.
Extras:- Ursachen für Kontextblindheit
- Systematik der peripheren Aufmerksamkeit: Scoping – Scanning - Interpretation
- Literaturtipp: Kurzrezension eines Buchs zum Thema Fiktion, Realität(en) und Statistik