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Paul J. Kohtes im Interview

'Geben ist seliger als nehmen - auch in der Wirtschaft'

Denn sie wissen nicht, was sie tun ... Die Rede ist von Managern, die die Gewinnfixierung des Business-Alltags verinnerlicht haben, und dabei doch nur Sklaven eines sinnentleerten Systems sind, das sie nicht glücklich macht, und das sich auf Dauer auch selbst nicht trägt. Meint jedenfalls Paul J. Kohtes, der mit seinem Buch „Jesus für Manager“ Anstöße zum Umdenken geben will. Im Interview erklärt Kohtes, warum er ausgerechnet in der Bibel nach Weisheiten fürs moderne Management gefahndet hat.


Herr Kohtes, im Moment boomt zwar das Geschäft mit dem Spirituellen – und das längst auch im Business –, doch das Christentum scheint eher wenig davon zu profitieren. Die Kirchenbänke sind leer, die Kirchen scheinen einen Bedeutungsverlust erlitten zu haben. Wieso kommen Sie da Managern ausgerechnet mit einem Jesus-Buch?

Paul J. Kohtes: Die Kirchen haben nicht nur einen Bedeutungsverlust erlitten. Bei ihnen ist auch von ihrem eigentlichen Kerngeschäft, der Spiritualität, leider nicht mehr viel zu spüren. Spiritualität ist der Versuch, über das Ethisch-Moralische hinaus an grundsätzliche Lebensweisheiten und Wahrheiten zu gelangen. Genau das ist das Anliegen, das ich mit den Jesus-Geschichten verfolge. Ich habe versucht, ihren universellen Sinn, die Lebensweisheit, die sie vermitteln, ins Management zu übertragen.

Dabei sind Sie ziemlich unkonventionell vorgegangen ...

Kohtes: In vielen theologischen Diskursen gehen die ursprünglichen Weisheiten, die Jesus vermittelt hat, bedauerlicherweise verloren. Als Katholik habe ich mich viel mit der Bibel beschäftigt. Aber ich war meistens nicht einverstanden mit dem, was aus ihr gemacht wurde. Deshalb bin ich lieber absolut intuitiv vorgegangen, habe mir das Neue Testament vorgenommen und die Geschichten rausgesucht, von denen ich dachte, dass sie businessaffin sind. Ich war selbst überrascht, auf wie viele das zutrifft.

Christentum und Business – das scheint allerdings ein starker Antagonismus zu sein ...

Kohtes: Auf den ersten Blick, ja. Es ist im Alltag ja auch tatsächlich schwer, die Balance zwischen beidem hinzubekommen. Nämlich zwischen den Anforderungen des Funktionalismus, dem wir alle sklavenhaft unterworfen sind, und dem Versuch, das, was wir tun, „wieder zu heiligen“, wie der mittelalterliche Philosoph Meister Eckhart sagte. Was im Moment in vielen Unternehmen passiert, was das ganze System beherrscht, ist doch bloß das Credo „Es muss funktionieren“ und – daraus folgend: „Wir alle müssen funktionieren.“ Und warum? Um möglichst viel Gewinn zu erwirtschaften. Das ist ja auch in Ordnung so. Aber wenn es neben dem kommerziellen Aspekt überhaupt keine anderen Aspekte mehr gibt, dann wird das Business kalt und leblos. Wir verlieren den Spaß an dem, was wir tun. Und es können Verwerfungen auftreten, wie wir sie nur zu gut kennen: skrupellose Manager, die versuchen, das meiste für sich aus dem System herauszuholen. Man versucht natürlich mit Spielregeln wie der Corporate Governance gegenzusteuern. Aber solche Spielregeln bleiben viel zu sehr an der Oberfläche. Das sind Codices, die die Menschen nicht berühren. Deren Charakter wird nicht verändert. Das geht nur, wenn Veränderungen von innen heraus kommen, vom Einzelnen. Der Einzelne muss eine neue Bewusstseinsebene erreichen.

Was meinen Sie damit?

Kohtes: Es bedeutet, in vielen Punkten eine andere Perspektive einzunehmen als die, an die wir uns alle gewöhnt haben. Eine Grundweisheit aus dem Neuen Testament ist z.B., dass es nicht gut ist, immer nur zu nehmen und niemals zu geben. Geben ist seliger als nehmen, heißt es in einer der Geschichten, die ich in mein Buch aufgenommen habe. Zugegeben: Das klingt unter Wirtschaftsaspekten zunächst irrational. Aber jeder kennt das Prinzip auch aus dem Business. Sie bekommen ja von keinem Versandhaus ein Päckchen zugeschickt, in dem nicht ein kleiner Gimmick ist ...

Das ist aber ein Geschenk mit Hintergedanken ...

Kohtes: Ja, schon. Aber das Beispiel zeigt gleichwohl: Der Mechanismus, dass ich dann mein Herz aufmache, wenn
ich etwas geschenkt bekomme, funktioniert.

Sie klagen darüber, dass unser Businessleben zu stark funktionalistisch ist, aber ist nicht auch Ihre Herangehensweise an die Bibel sehr funktionalistisch?

Kohtes: Ich mache keine Erfolgsversprechen, sondern versuche, einen neuen Blick auf altbekannte Probleme zu ermöglichen. Meist sind es ja unsere einseitigen Fixierungen, die dazu führen, dass wir uns als Menschen im Business verlieren. Ich möchte zum Nachdenken anregen und zeigen, dass es auch anders geht. Wenn wir als Manager unser Menschsein nicht hintanstellen, sondern authentisch unsere Werte und Wünsche leben, können wir etwas erreichen, das Gewinn nicht nur auf der materiellen Ebene verspricht.

Was macht Jesus denn zu dem tauglichen Managementlehrer, der er aus Ihrer Sicht ist?

Kohtes: Jesus war ein ganz großer Freiheitslehrer. Er hat gegen etablierte Strukturen angekämpft. Wenn Sie sich die Geschichte mit den Geldwechslern, die er aus dem Tempel vertrieb, anschauen: Das ist eine Anti-Establishment-Geschichte. Und darum geht es doch: Wir sind oft in unserem Geist nicht mehr frei, weil wir so verwickelt sind, mit dem, was wir für normal und selbstverständlich halten. Das führt dazu, dass auch Unternehmen ihr kreatives Potenzial nicht mehr nutzen. Wer eingeengt ist und unter Druck steht, kann nicht kreativ sein. Wenn jemand bei der Lektüre meines Buches zu einem Stück Selbstdistanz findet, und merkt, wie wenig frei er doch eigentlich ist, welche Ketten er sich freiwillig hat anlegen lassen, dann ist das schon etwas.

„Setzen Sie sich nicht unter Druck“, „Folgen Sie Ihrer inneren Stimme“ – so und ähnlich lauten die Quintessenzen, die Sie aus den Bibel-Geschichten ziehen und auf den Arbeitsalltag übertragen. Klingt verdächtig nach Allgemeinplätzen und auch nach „zigfach gehört“.

Kohtes: Für die Top-Manager, die ich berate, sind solche Themen dennoch essenziell, denn sie glauben, dass sie es sich nicht erlauben dürfen, einmal innezuhalten. Die einfachsten Wahrheiten sind oft am schwersten zu verstehen – und noch schwerer umzusetzen. Viele meiner Leser sind sehr erleichtert, wenn sie feststellen, dass sie auch einmal loslassen können, ohne dabei ihren Biss zu verlieren.

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