Der Albtraum für einen Coach: Ich laufe nach einer Coachingsitzung frohgemut über den Gang und schaue noch kurz bei dem zuständigen Personaler vorbei. Ich erzähle ihm, woher ich komme, und dass das Coaching gut läuft - und ernte Stirnrunzeln. Auf Nachfrage fängt der Personaler an, ein wenig zu erzählen: Er spricht über das, was ihn bezüglich meines Coachees besorgt, und über das, was gerade in der Organisation vorfällt.
Alle Warnlampen gehen in mir an, und mir wird klar: Was ich soeben im Coachinggespräch erfahren und bearbeitet habe, war leider nur ein Teil der Wirklichkeit. Mein Coachee hatte einfach wesentliche Aspekte der Realität ausgeblendet. Leider hatte er die Perspektive seines direkten Vorgesetzten (und Vorstandes) nicht wahrgenommen, die für das Thema des Coachings äußerst relevant gewesen wäre.
Der Coachee machte offensichtlich einen guten Job im direkten Team, hatte aber beim Vorstand ein zunehmend schlechtes Image, was die Handlungsfähigkeit des Coachees für die nächsten Wochen extrem einschränken würde. Also: Alles war gut gemeint im Coaching. Auch war vieles richtig gemacht - aber letztendlich war doch nicht das Richtige getan.
Für mich waren solche Situationen der Ausgangspunkt, unser Vorgehen im Coaching grundsätzlich zu überdenken: Ist es richtig, dass wir uns mit unserem Coachee komplett zurückziehen? Dass wir den gesamten Coachingprozess allein im trauten Zweiergespäch abwickeln, ganz klassisch unter vier Augen? Dass wir die Tür unserer geschützten Zweierbeziehung keinen Spalt breit öffnen, keine dritten Personen mit ihren Sichtweisen zu Wort kommen lassen, keine ergänzenden Settings durchführen?
Extras:- Grafik: Bei diesen Coaching-Themen kann es sinnvoll sein, dritte Personen in den Coaching-Prozess mit einzubeziehen.