Coaching hat einen elitären Touch. Jedenfalls insofern, als die Beratungsleistung bislang in der Regel ausschließlich Führungskräften vorbehalten war. Geht es nach dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), hat das bald ein Ende. Jedenfalls hat sich der DGB das Ziel gesetzt, Coaching - genauer gesagt Bildungscoaching - zu einem Angebot auch für niedriger Qualifizierte zu machen.
Hintergrund: Gerade Menschen mit einfacher bzw. mittlerer Qualifikation sind derzeit in ihren Arbeitsfeldern mit erheblichen Umbrüchen konfrontiert. Mehr noch: 'Für Geringqualifizierte bricht der Arbeitsmarkt regelrecht weg, da die Tätigkeitsprofile zunehmend anspruchsvoller werden. Es wird für diese Zielgruppe immer wichtiger, sich weiterzubilden, um beruflich eine Chance zu haben', erklärt Sonja Deffner die Lage. Deffner ist Leiterin des DGB-Projektes 'Leben und Arbeiten' (kurz: LeA), das im November 2002 an den Start ging und dieser Tage seinen Abschluss findet. Mit dem Projekt ging der DGB in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, Stuttgart, der Frage nach, wie das Profil eines Coaches aussehen sollte, der Beschäftigte jenseits der Führungsebene in deren beruflichem Fortkommen unterstützt.
Der erste Schritt bestand darin, in ausgewählten Branchen (Metall- und Elektroindustrie sowie Pflegesektor) in Interviews mit Mitarbeitern, Personalern, Betriebsräten und Vorgesetzten den Qualifikations- und Beratungsbedarf der Beschäftigten zu ermitteln. Fazit: Hier wie dort müssen die Mitarbeiter sich nicht nur auf neue Technologien und Arbeitsweisen einstellen, sondern oft auch ein höheres Maß an Verantwortung tragen als bisher.
In einem zweiten Schritt wurden modellhafte Bildungscoaching-Prozesse durchgeführt, die darauf ausgerichtet waren, die neuen Bedarfe aufzufangen. So wurden beispielsweise Reinigungskräfte einer stationären Altenpflegeeinrichtung in einem Gruppencoaching erfolgreich an neue Dokumentations- und Kooperationspflichten herangeführt und in ihrer Selbstkompetenz gestärkt.
Im Pilotversuch: die Ausbildung zum Bildungscoach
Aus den so ermittelten Erkenntnissen und Erfahrungen leiteten die Projektverantwortlichen das Konzept für eine branchenübergreifende Ausbildung zum Bildungscoach ab, die zwischen Januar und Juni 2005 erstmals in Form eines Piloten durchgeführt wurde und demnächst regulär über das Unternehmen maxQ, das Teil des DGB-Berufsfortbildungswerks bfw ist, angeboten wird: z.B. ab Dezember 2005 in Hamburg, ab Februar 2006 in Frankfurt. In der Fortbildung stehen nicht nur Coaching-Techniken und -Methoden auf dem Programm.
Der 20-tägige Lehrgang, der sich über gut acht Monate erstreckt, besteht aus acht Modulen, in denen auch übergreifendes Wissen zu Bildungssystem und -landschaft, zur gesellschaftlich bedingten Veränderung des Arbeitsmarktes sowie spezifische Kenntnisse in Sachen Lernberatung, Berufswegplanung und Work-Life-Balance-Beratung vermittelt wird. Wichtig ist: Die angehenden Bildungscoaches können aus vielen Wahlpflichtbausteinen wählen, denn kaum ein Coach wird alle Bereiche abdecken können und wollen.
Das Angebot richtet sich gleichermaßen an externe Interessenten wie freie Berater und Coaches als auch an firmeninterne wie Personalentwickler und Führungskräfte. Insbesondere Letzteren kommt aus Sicht von Deffner besondere Bedeutung zu, denn, so die Projektleiterin: 'Gerade für niedriger Qualifizierte ist die Hemmschwelle, sich außerhalb des eigenen Betriebes an einen Berater zu wenden, relativ groß. Der Impuls muss also aus dem Betrieb kommen.'
Aus diesem Grund hat der DGB neben der Bildungscoach-Ausbildung im Rahmen von LeA auch eine Fortbildung für Betriebs- und Personalräte pilotiert. Ziel und Zweck: die Arbeitnehmervertreter in die Lage zu versetzen, in ihrem Betrieb eine ebenso an individuellen wie auch unternehmensstrategischen Erfordernissen orientierte Weiterbildungsstrategie zu initiieren.