Wir rufen nach Werten. Der ehrbare Kaufmann soll wieder regieren, die Menschlichkeit soll wieder in die Chefetagen einziehen, wir brauchen wieder eine Orientierung. Das sind Forderungen, die – je nach Wirtschafts- und Nachrichtenlage – immer wieder laut werden. Dabei haben wir Werte in Hülle und Fülle. Wir ersticken geradezu an Werten. Wir haben also kein Mengenproblem, wir haben ein Qualitätsproblem.
Werte sind so eine Sache. Auch die Mafia oder die Camorra haben Werte, nur eben nicht dieselben, die wir für wertvoll halten. Was sind überhaupt Werte? Wir finden sie im Handeln der Menschen, nicht in ihren Worten. Für Unternehmen gilt dasselbe. Mitarbeiter haben dafür ein feines Gespür: Sie glauben nur die Werte, die aus Taten sprechen, die 'Philosophie' des Unternehmens spielt dabei überhaupt keine Rolle. Wenn zum Beispiel jemand entlassen wird, dann schauen sie, wie und warum das geschah – und entdecken so die tatsächlich gelebten Werte. Sind diese nicht deckungsgleich mit den wohlformulierten Leitlinien, dann verlieren Führungskräfte ihre Glaubwürdigkeit – und die Loyalität der Mitarbeiter.
Damit stellt sich die Frage, welche Werte in unserer Gesellschaft tatsächlich gelebt werden. Im Grundgesetz steht: 'Die Würde des Menschen ist unantastbar, sie zu achten und zu schützen ist Aufgabe aller staatlichen Gewalt.' Wir haben also einen Staatsauftrag, die Würde eines jeden zu schützen. Aber tun wir das auch?