Unter Kollegen geht es manchmal zu wie am Wühltisch im Schlussverkauf: Sie drängeln sich am Kopierer vor, sie trinken den letzten Kaffee, die schweren Aufgaben überlassen sie anderen, und sie schmücken sich mit fremden Federn. Die Opfer solcher Dreistigkeit können ihren Ärger oft nur mit der Gewissheit trösten, dass wenigstens sie sich korrekt verhalten haben. Der Klügere gibt schließlich nach, heißt es. Was für ein Unsinn!
Immer wieder finden wir uns in Situationen wieder, in denen wir uns eigentlich beschweren müssten, es aber aus Anstand nicht tun. In denen wir Nachteile erdulden, weil wir den Frieden waren wollen. Doch wenn wir jedem Ellenbogen nachgeben, ist das weder klug noch ethisch. Wir zeigen den Egoisten damit nur, dass sie erreichen können, was sie wollen. Wer – im biblischen Sinne – immer auch die andere Wange hinhält, motiviert den Schläger weiterzumachen.
Ich wundere mich immer wieder, wie inkonsequent wir sind, wenn unsere Mitmenschen sich unsozial verhalten. Wer am lautesten schreit, setzt sich durch – und niemand wehrt sich dagegen. Man möchte anständig sein und übt sich in Zurückhaltung. Das ist nichts als Duckmäusertum, das sich hinter dem moralischen Anspruch versteckt, sich selbst richtig zu verhalten. Oft fehlt einfach nur der Mut oder die Entschlossenheit, den Dingen Einhalt zu gebieten, die einfach nicht in Ordnung sind.