'Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Pharmaunternehmen und wollen eine Präsenz auf Facebook eröffnen. Wie gehen Sie vor?' Jobsucher, die sich bei der Kölner Antwerpes AG bewerben, müssen auf solche Fragen gefasst sein. Denn bei der Kommunikationsagentur, die auf den Gesundheitsmarkt spezialisiert ist, werden solche Übungen regelmäßig bei der Personalauswahl eingesetzt. Rouven Schäfer, Leiter Human Resources Management, erklärt den Sinn so: 'Die Bewerber sollen die Medien reflektieren.' Es gehe nicht allein um die versierte Bedienung von Facebook, um Anmeldung und dergleichen, sondern darum, die Grenzen, Probleme und Risiken der Plattform einzuschätzen. Wie kann die Reaktion der Nutzer auf Pharmawerbung ausfallen? Was passiert, wenn Facebook das Profil sperrt? 'Es geht um die Wirkung“, betont Schäfer. „Wir brauchen Mitarbeiter mit echter Medienkompetenz – keine Umsetzungsroboter.'
Nicht nur nutzen, sondern auch reflektieren, so definiert Personalprofi Schäfer die moderne Medienkompetenz. Mit dieser knappen Formel hebt er sich wohltuend von den komplizierten Definitionen früherer Tage ab. Denn Medienkompetenz ist von jeher ein komplexer Begriff: Populär gemacht wurde er in den 1990er-Jahren vom Erziehungswissenschaftler Dieter Baacke, der – stark verkürzt – verkündete: Nur wer aktiv mit Medien arbeitet, kann auch ein kritischer Nutzer sein. In den kommenden Jahren kamen zahllose weitere Deutungen des Wortes dazu, zuletzt versuchte sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einer Definition, für die sogar eigens eine Expertenkommission einberufen wurde. Herausgekommen ist eine Auslegung, die ganze fünf Seiten füllt. Mittlerweile ist die Forderung 'Wir brauchen mehr Medienkompetenz' aus kaum einer Politiker- oder Vorstandsrede wegzudenken.
Extras:- 'Der digitale Wandel ist kein Add-on' – Interview mit Jöran Muuß-Merholz von der Agentur Jöran und Konsorten, Hamburg
- Infokasten: Die vier Säulen der Medienkompetenz
- Literaturtipps: Kurzrezensionen von zwei Büchern über Social Media