Im vergangenen Jahr habe ich bei einer Großbank ein Seminar zum Thema Innovation durchgeführt. Ziel der Veranstaltung war es, Gründe für die schwache Innovationsfähigkeit des Unternehmens aufzudecken und Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Bereits in der ersten Stunde lieferten mir die Teilnehmer, allesamt obere Führungskräfte, einen deutlichen Hinweis auf den Kern des Problems: Zwei Drittel von ihnen tippten permanent auf ihren Blackberries herum. Als ich sie auf ihr Verhalten ansprach, sagte einer der Manager: 'Wir haben eine hoch responsive Unternehmenskultur, welche die Agilität ins Zentrum stellt.' Im Unternehmen sei Realtime-Management Realität.
Im Verlauf des Seminars setzten wir uns mit der Management-Realität in der Bank auseinander. Wir diskutierten Möglichkeiten und Grenzen, Vor- und Nachteile eines Ad-hoc-Managements via elektronische Kommunikationsmittel. Am Ende kamen die Top-Manager mit mir darin überein: Realtime-Management ist nichts als eine Illusion. Und zwar eine mit gravierenden Folgen: Es war nämlich genau dieser ständige Einsatz von Blackberry und Co., der nicht nur die Innovationsfähigkeit, sondern auch die Produktivität in dem Unternehmen bremste.
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Grundsätzlich bergen moderne Kommunikationstechnologien ein enormes Potenzial für die Agilität und Flexibilität in Unternehmen. Denn Innovation gründet zu 80 Prozent auf einer Rekombination von existierenden Ideen, Technologien und Konzepten. Insofern sollte eigentlich der Einsatz einer jeden Technologie, die die Kommunikation vereinfacht, auch die Innovationskraft beflügeln. Eigentlich. Der Faktor 'Mensch' erweist sich allerdings als Störvariable in dieser Gleichung. Denn bei der Nutzung der Technologien zeigt er gravierende Verhaltenspathologien.
Extras:- Von Qualitätseinbruch bis Kreativitätsloch: Die Folgen der Real-time-Illusion
- Literaturtipps: Kurzrezensionen von zwei Büchern zum Thema E-Mail-Management