'Während viele Beobachter in düsteren Szenarien darüber spekulieren, welche Auswirkungen die Asien- und die Rußlandkrise haben werden, prognostizieren Sie aufgrund der Langwellenökonomie - den sogenannten Kondratieff-Zyklen - eine neue Wachstumsphase im kommenden Jahrtausend. Wie kommen Sie zu dieser optimistischen Einschätzung?'
Leo A. Nefiodow: 'Kondratieffzyklen sind Innovationsschübe, die regelmäßig etwa alle fünfzig Jahre seit Beginn der Industrialisierung aufgetreten sind. Sie wurden 1926 von dem russischen Ökonomen Nikolai Kondratieff, der als Begründer der Langwellenökonomie gilt, beschrieben. Die Kondratieffzyklen sind kein rein ökonomisches Phänomen: Die von der Wirtschaft ausgehenden Innovationen erfassen die Gesellschaft als ganzes und führen zu tiefgreifenden Reorganisationsprozessen auch in den Bereichen Recht, Bildung und Kultur. Dieser Prozeß wird von Basisinnovationen angestoßen, d.h. von Erfindungen mit bahnbrechender Wirkung.
Im ersten Kondratieffzyklus waren das die Dampfmaschine und die Fabrikorganisation, im 2. Kondratieff die Beherrschung des Stahls mit dem Bau von Eisenbahnen und Stahlschiffen. Damit wurden die Transportkosten drastisch gesenkt und die Basis für die Massenproduktion geschaffen. Die Nutzung von Elektrizität und Chemie prägte den dritten Kondratieff und führte zur Erfindung völlig neuer Produkte. Der 4. Kondratieff, beginnend in den dreißiger Jahren, wurde von der Petrochemie und dem Automobil getragen, der individuelle Massenverkehr entstand. Heute befinden wir uns im 5. Kondratieff, der von der Informationstechnik bestimmt wird…