Management

Lehren von Luhmann
Lehren von Luhmann

Ohne Schauseiten geht es nicht

Sagen, was Sache ist? Von Organisationen fordert die Öffentlichkeit dies häufig. Und auch innerhalb von Unternehmen hört man oft, wie wichtig es ist, dass Teams und Bereiche ehrlich miteinander umgehen. Tatsächlich aber sind dem Soziologen Niklas Luhmann zufolge der Möglichkeit, sich im organisationalen Kontext authentisch zu zeigen, Grenzen gesetzt. Den Verzicht auf eine gewisse Inszenierung kann sich niemand erlauben.

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Cover managerSeminare 298 vom 16.12.2022Hier geht es zur gesamten Ausgabe managerSeminare 298

In Organisationen ist man unter ständiger Beobachtung: Potenzielle Kunden suchen ein Produkt oder eine Dienstleistung und fragen sich, ob diese Organisation wirklich der richtige Anbieter für sie ist. Ein Bauamt bewegt sich mit seinen Entscheidungen unter den wachsamen Augen von Politik, Bürgerinnen und Bürgern und hat obendrein mit (aus Sicht des Bauamts) nervigen Kollegen aus dem Umweltamt zu tun, die neuerdings glauben, sie müssten bei jeder Entscheidung ihre Relevanz markieren. Kurzum: Man kann in Organisationen nicht einfach entscheiden und handeln und dann davon ausgehen, dass das eigene Tun selbsterklärend ist und automatisch Zustimmung findet.

Dieses Problem gilt nicht nur für die Kommunikation einer Organisation nach außen, es beginnt schon im Inneren. Wenn über Abteilungsgrenzen hinweg koordiniert, entschieden und diskutiert wird oder wenn Sichtweisen, Hintergründe oder Hierarchiestufen zwischen zwei Mitgliedern stark differieren, dann wird die interne Kommunikation schnell von ähnlichen Einschränkungen begleitet, wie die Außenkommunikation. Denn auch hier gilt: Hat man einmal eine Entscheidung, eine Information oder Anfrage über die Grenze der eigenen Abteilung hinweg gesendet, lässt sich kaum noch kontrollieren, wie der Inhalt dort verstanden wird. Die Empfänger interpretieren die Botschaft vielmehr auf der Basis ihres Vorwissens und ihres Erlebens der gemeinsamen Geschichte. Dem Soziologen Niklas Luhmann zufolge ergibt sich daraus oft eine Eigendynamik: „Kleine Hinweise und Beobachtungen, nebensächliche Dinge, denen symbolische Bedeutung beigelegt wird, einmalige Glückstreffer oder Entgleisungen im Ausdruck tragen dazu bei, ein generalisiertes Vertrauens- oder Misstrauensverhältnis zu schaffen.“

Im Alltag spricht man vom Aufhängen an Nichtigkeiten. Oder man vermutet, das Gegenüber habe gar kein Interesse daran, die Information richtig zu verstehen. Werden Informationen dann weitergetragen, kann der „Flurfunk“ die Interpretation der Information noch weiter verschieben. Der Effekt: In Organisationen müssen die Akteure schon bei Kleinigkeiten über ihre Wortwahl nachdenken. Sie müssen sich gründlich überlegen, wie sie beispielsweise eine getroffene Entscheidung verpacken, um beim Gegenüber – etwa einer anderen Abteilung – damit keine ungewollten Interpretationen und Reaktionen auszulösen. „Die richtige Anfertigung der Entscheidung und ihre plausible Mitteilung verschmelzen ins Untrennbare. Man kann nicht entscheiden, ohne mitzuüberlegen, wer was in welcher Form abnimmt“, beschreibt es Luhmann.

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