Hilft eine hohe Risikobereitschaft in einer Wettbewerbssituation, etwa einem Bewerbungs- oder Beförderungsverfahren, eher weiter als Talent? Wissenschaftler der Universität Bamberg meinen, dass genau dies unter bestimmten Umständen der Fall sein kann.
Die Volkswirtschaftler ließen 192 Probanden in einem Laborexperiment in Zweierkonstellationen in einem PC-Spiel gegeneinander antreten. Eingangs ermittelten sie das Ausmaß der Risikobereitschaft der Teilnehmenden, indem sie ihnen die Wahl ließen, sich zwischen einer geringeren Spielpunktezahl, die sie sicher bekamen, oder einer weitaus höheren, die sie aber komplett verlieren konnten, zu entscheiden. Dann wurden mehrere Runden mit variierendem Preisgeld gespielt. Die Teilnehmenden  durften dabei jeweils entscheiden, wie viel von ihrem Grundstock sie investieren oder lieber behalten wollten. Am Schluss bekamen sie die Punkte einiger zufällig ausgewählter Entscheidungssituationen in Form von Bargeld (im Schnitt 30 Euro) ausgezahlt. Das Experiment zeigte: Wenn zwei Teilnehmende etwa gleich risikoaffin sind, aber unterschiedlich talentiert, setzt sich in der Regel derjenige oder diejenige mit dem größeren Talent durch. Doch offenbarte sich auch, dass sich geringeres Talent unter bestimmten Voraussetzungen und bis zu einem gewissen Grad durch eine höhere Risikobereitschaft kompensieren lässt. Vor allem, wenn ein hoher Gewinn winkte, waren die besonders risikofreudigen Teilnehmer im Experiment eher bereit, aufs Ganze zu gehen – und konnten damit tatsächlich ihre Gewinnchancen erhöhen. Die Forscher warnen daher, dass Wettbewerbskonstellationen den Blick auf das tatsächliche Talent verstellen können. 'Bewerbungs- oder Beförderungsverfahren besitzen oft Wettbewerbscharakter, weil es dabei auf das persönliche Abschneiden in Relation zu den Mitbewerbern ankommt. Individuen, die – aus welchen Gründen auch immer – eine höhere Risikoaversion besitzen, können dabei deshalb benachteiligt sein', so Volkswirtschaftler Marco Sahm. Dies könnte beispielsweise Frauen treffen, denn, wie viele Studien zeigen, sind diese tendenziell risikoaverser als Männer. Gleiches gilt für Menschen, die aus einem weniger gebildeten Elternhaus stammen. Auch sie könnten durch ihre schwache Risikobereitschaft trotz Talent ins Hintertreffen geraten. Soll vor allem nach Talent ausgewählt werden, ließe sich das Problem zumindest in großen Unternehmen lösen, indem das Bewerbungsverfahren bewusst nicht als Wettkampf zwischen den Bewerbern organisiert wird, bei dem es auf einen direkten Vergleich ankommt, so Sahm. Geeigneter könnte eine Art Einstellungstest sein, bei dem alle einen Job erhalten, die einen zuvor festgelegten absoluten Testscore erreichen, schlägt der Forscher vor. 'Dies würde den Einfluss von Risikopräferenzen zwar nicht gänzlich vermeiden, zumindest aber das Element der strategischen Unsicherheit eliminieren, da der Bewerber nicht mehr in Relation zu den Mitbewerbern, sondern an dem objektiven Testscore gemessen wird.'