Über Karl Marx scheinen wir alles zu wissen. Doch der große Ökonom des 19. Jahrhunderts hat noch einiges zu sagen, was sich auch für heutige Ohren neu anhört. Seine geschichtliche Wirksamkeit hat Marx freilich mit anderen Dingen erlangt: mit seiner 'Kritik der politischen Ökonomie'. Darin analysierte er die gerade aufgekommene kapitalistische Ökonomie auf eine so gründliche Art, wie es die damaligen Ökonomen selbst nicht konnten. 'Kritik' heißt: Er zeigte, dass das Fortschrittliche am kapitalistischen System nur für die Kapitaleigner eine Verbesserung darstellte. Nicht aber für die arbeitenden Klassen, die ausgebeutet werden. Das klingt nach einer moralischen Argumentation. Doch Marx war nie ein moralischer Autor, seine 'Kritik' ist systematisch entwickelt. Sie beruht auf einer arbeitswerttheoretischen Grundlage.
Die Arbeitswerttheorie war die selbstverständliche Basis der damaligen Ökonomie, ob bei Adam Smith, David Ricardo oder Nassau William Senior. Sie besagt, dass nur die Arbeit Wert schafft. Die einzige Wertschöpfungsressource sind so gesehen also die Arbeiter. Daher, so folgert nun Marx, müsste ihnen auch der ganze von ihnen selbst geschaffene Wert gehören. Da sie jedoch nur ihren Lohn bekommen, wird ihnen der Rest – die Differenz zum ganzen Wert – vorenthalten. Das ist mit dem Begriff 'Ausbeutung' gemeint: Die Arbeiter bekommen nicht, was ihnen werttheoretisch zusteht. Ihr Lohn wird nach einem anderen Maßstab berechnet: nach den Reproduktionskosten. Das heißt, er fällt nur so hoch aus, wie ihn die Arbeiter und ihre Familien brauchen, um sich ernähren und bescheiden leben können.
Die Differenz zwischen ausbezahltem Lohn und geschaffenem Wert nennt Marx 'Mehrwert'. Kapitalismus ist in diesem Sinne eine mehrwertabschöpfende Wirtschaftsform. Die Kosten tragen – mit ihrem niedrigen Lebensstandard – die Arbeitermassen. Da diese aber den Großteil der Bevölkerung stellen, heißt ihre Interessen nicht zu achten, eine ungerechte Gesellschaft zu legitimieren.
Extra:- Infokasten: Karl Marx – Leben, Werk, Wirkung