Die Forderung ist populär und für die karriereorientierte Nachwuchsführungskraft die Eintrittskarte für den weiteren Aufstieg: Auslandserfahrung – möglichst mehrjährig. Kaum ein größerer Konzern, der nicht auf Programme zum internationalen Führungskräfte- und Spezialistenaustausch verweist, der den Anteil der ausländischen Führungskräfte in den nächsten Jahren nicht erheblich erhöhen will und bereits bei der Einstellung neue Mitarbeiter auf Potentiale prüft, die ihre Eignung als „global manager” nahelegen. „Wir müssen das internationale Geschäft mit internationalen Managern führen”, faßt Bayer-Vorstandvorsitzender Manfred Schneider plakativ die Geschäftsphilosophie im Zeichen globaler Märkte zusammen. Vor der Auffassung, Auslandserfahrung so ohne weiteres mit interkultureller Offenheit gleichzusetzen, kann Andreas Bittner, Geschäftsführer des Instituts für Interkulturelles Management in Bad Honnef, jedoch nur warnen: „Es gibt genug Beispiele, da kehrt ein Auslandsmitarbeiter als veritabler Rassist heim!”
Die beiden Aussagen machen die derzeitige Gratwanderung international agierender Unternehmen deutlich. Es gilt, Präsenz auf sich rasch globalisierenden Märkten zu zeigen und in kurzer Zeit neue Geschäftsfelder zu besetzen. Doch reicht die Zeit nicht aus, um die eigenen einheimischen Mitarbeiter auf eine zunehmend Grenzen und Kulturkreise überschreitende Zusammenarbeit vorzubereiten. Auf rund ein Drittel schätzen Klaus Macharzina und Joachim Wolf in ihrem soeben erschienen „Handbuch Internationales Führungskräfte-Management” den Anteil frühzeitig abgebrochener Auslandseinsätze von Führungskräften, die das Unternehmen mit Mehrkosten von rund 250.000,- Mark je Einsatz belasten. Die langfristigen Schäden, die dem Unternehmen durch das häufig „zerschlagene Porzellan” entstanden sind, lassen sich kaum in konkrete Zahlen fassen. Geradezu sarkastisch formuliert Prof. Dr. Dieter Schneidewind vom Beratungsunternehmen Amari Pacific Consultants in einem Beitrag für Gablers Magazin seine Erfahrungen: „Grob gesagt verhalten sich moderne Unternehmungen so, als ob es nur eine Technologie, eine Systematik, eine Wertewelt und einen Berechtigungsanspruch – den der nordatlantischen Welt – gebe. (…) Solange das im Rahmen monopolähnlicher Technologien und Märkte geschah, kamen die meisten Unternehmungen dennoch annehmbar über die Runden. Der globale Konkurrenzkampf erlaubt das nicht länger.”
Mit dem Handling interkultureller Vielfalt und unterschiedlicher Wertesysteme haben Unternehmen kaum Erfahrung – und wenn, dann ist sie häufig negativer Art. Was also tun? Auf der Suche nach halbwegs effektiven Lösungen setzen die großen Konzerne auf das langfristig angelegte und einzig praktikabel erscheinende Konzept, ihre Führungsmannschaft zu internationalisieren…