'Das Optimum wäre, wenn ich mit jedem Kunden selbst spräche und sofort eine Entscheidung träfe'. Hinter diesem (wohl nicht wörtlich zu nehmenden) Zitat des Chefs eines Bekleidungshauses steht der Traum des 'dispositiven Faktors': Er trifft alle notwendigen Entscheidungen; er sammelt alle Informationen und wertet sie aus, er entwickelt und bewertet alle Lösungsmöglichkeiten, unter denen er in einem einsamen Entschlußakt auswählt. Die 'Mit'-Arbeiter als 'ausführende menschliche Arbeitsleistung' haben die ihnen vorgesetzten Entscheidungen umzusetzen. Dazu werden sie vom dispositiven Faktor 'angeregt': Dieser gibt Befehle, die sie ausführen. Oder er stellt - schon 'moderner' - Belohnungen in Aussicht bzw. droht Strafen an, gibt also 'Anreize', auf die hin sie die gewollte 'Reaktion' zeigen, nämlich den Leistungseinsatz. Diese Vorstellung ist aus zwei Gründen obsolet:
• Problemlösungs- und Entscheidungsfunktionen liegen nicht mehr nur bei der Unternehmensleitung. Arbeitsteilung wird nötig, wenn diese den Aufgabenumfang nicht mehr alleine bewältigt und wenn schwierige Probleme die Einbeziehung von Spezialisten erfordern. Wir haben es mit einer 'Diffusion der Entscheidungsprozesse' zu tun, der durch entsprechende Organisation Rechnung zu tragen ist. Nur so kann man das unternehmensweit verankerte Wissen fruchtbar machen. Diese Entwicklung ist nicht hintergehbar. In der erwähnten Firma (300 Mio. DM Jahresumsatz in 32 Filialen) arbeiten denn auch 1.600 Mitarbeiter in einer ausdifferenzierten Struktur. Der Traum des Chefs, unter solchen Bedingungen alle Probleme zu lösen, würde zum Alptraum.
• Menschen sind keine 'Reiz-Reaktions-Maschinen', die für ein in Aussicht gestelltes Entgelt ihre Arbeitskraft fraglos zur Verfügung stellen bzw. erhöhen. Geld wirkt als Beweggrund für Engagement nur, soweit es zur Befriedigung spezifischer Bedürfnisse geeignet erscheint oder Symbolkraft (Zeichen für Erfolg, Macht usw.) besitzt. Jedenfalls hat die Diskussion um den 'Wertewandel' die Einsicht gebracht: Neben dem Arbeitsentgelt existieren weitere bedeutsame(re) Motivationsfaktoren…