Die Zukunft der Arbeit interessiert uns brennend. Schließlich befinden wir uns in einer beispiellosen Dynamik des Übergangs von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft, die sich als Informations- und Wissensgesellschaft ausprägt. Wir erleben Formen des Wechsels und der Veränderungen der Anforderungen, denen unser Bildungssystem kaum hinterherkommt – geschweige denn wir selber. Zugleich definieren wir uns mehr denn je über unsere Arbeit, die nicht nur Broterwerb ist, sondern Lebensform. Und wir wollen wissen, wo wir stehen und wohin wir uns bewegen. Woran wir nicht denken, ist, dass diese Zukunft – die schon längst Gegenwart geworden ist –, auch eine Vergangenheit hat.
Unser Verständnis von Arbeit, das zeigt der Blick in die Historie, ist ein sehr spätes Produkt der Neuzeit. Dass wir unser Leben auf die Arbeit ausrichten, dass wir uns daran messen, wie viel und wie intensiv wir gearbeitet haben – für die Vormoderne eine unverständliche, eine lächerliche Vorstellung. Arbeit war immer eine verachtete Notwendigkeit, in der Antike meist von Sklaven ausgeführt, die kaum als Menschen angesehen wurden. Wer von den Notwendigkeiten des Lebens gefangen ist, so dachte man, ist außerstande, das wahre, das gute Leben zu leben. Die Antike kannte eine andere Lebensform als die Arbeit: das tätige Leben, die 'vita activa'.
Hannah Arendt, die zu den einflussreichsten politischen Philosophen des 20. Jahrhunderts gehört, hat diese vormoderne Vorstellung vom tätigen Leben untersucht. Sie greift dabei auf die von Aristoteles getroffene Unterscheidung von 'praxis' (das bloße Leben) und 'eupraxis' (das entwickelte, höhere, gute Leben) zurück. Denn darum geht es in der 'vita activa': tätig die Hochform des Lebens zu erreichen. Dabei geht es um Fragen, die uns auch heute wieder bewegen: Wozu arbeiten wir eigentlich? Wie leben wir? Was wollen wir vom Leben?
Extras:- Hannah Arendt – Schlaglichter auf Leben und Werk
- Literaturtipps: Die drei wichtigsten Werke von Hannah Arendt