Mehrere im Herbst 2009 erschienene Studien beleuchten Haltung und Verhalten der deutschen Führungskräfteriege. Und zwar sowohl aus der Außen- als auch aus der Innenperspektive. Ergebnis: Zwischen der Sicht von Mitarbeitern und Jobeinsteigern und der Selbstsicht der Manager tun sich Gräben auf.
Manche Dinge ändern sich anscheinend nie – selbst wenn die Umstände andere sind. Zum dritten Mal in Jahresfolge hat die internationale Unternehmensberatung Krauthammer europäische Angestellte in einer Studie danach befragt, was sie von ihrem Chef halten. Und in schöner Regelmäßigkeit kommt dabei heraus, dass zwar zwei Drittel der Mitarbeiter mit ihrem Vorgesetzten zumindest leidlich zufrieden sind, ein Drittel jedoch an einem Chef laboriert, dessen Verhalten als mangelhaft oder gar ungenügend empfunden wird. Mehr noch: Trotz Wirtschaftskrise und rauem Wind auf dem Arbeitsmarkt stehen die Befragten – es waren dieses Mal 309 – ihrem Unternehmen nicht besonders loyal gegenüber. Arbeitsplatzsicherheit rangiert eher im unteren Sektor der Prioritätenliste, und bloß 41 Prozent der Angestellten sind überzeugt, ihrem Arbeitgeber auch in einem Jahr noch die Treue zu halten.
Ob wohl die geringe Bindung ans Unternehmen auch aus dem unbefriedigenden Verhältnis zwischen Chef und Mitarbeiter erwächst? Tatsache ist, dass laut Studie offenbar selbst bei den nicht ganz so miesen Chefs viele Mitarbeiter-Wünsche offen bleiben. So wünscht sich eine überwältigende Mehrheit (95 Prozent) der Mitarbeiter, dass der Chef ihnen unter die Arme greift, wenn sie bei einer Aufgabenstellung Probleme haben und dass er die Sache gemeinsam mit ihnen analysiert. Dazu lassen sich aber bloß 52 Prozent der Führungskräfte herab. Acht Prozent der Vorgesetzten kümmern sich überhaupt nicht um die Nöte des Mitarbeiters, sondern fordern einfach eine schnelle Lösung ein. Zwölf Prozent der Chefs geben ihrem Mitarbeiter eine Vorgehensweise vor – und zwar ohne vorherige Analyse und Rücksprache. Und 25 Prozent schreiten selbst zur Tat und präsentieren dem Mitarbeiter anschließend das fertige Ergebnis.
Viele Chefs räumen eigene Fehler nicht einEin weiteres Verhalten, das sich sehr viele (80 Prozent) Angestellte von ihrer Führungskraft erhoffen, ist, dass der Boss spontan auch mal einen eigenen Fehler einräumt. Diese Größe haben aber laut Umfrage lediglich 43 Prozent der Manager. Neben diesen beiden Verhaltensweisen, die Jahr für Jahr die Liste des gewünschten Führungskräfte-Verhaltens anführen, enthüllt die Studie ähnliche Diskrepanzen in zahlreichen weiteren Feldern. So erhoffen sich 83 Prozent der Mitarbeiter, dass ihnen der Chef freie Hand lässt, wenn er ihnen Aufgaben delegiert, doch wirklich selbstständig arbeiten dürfen nur 35 Prozent der Befragten. Die persönliche Entwicklung der Mitarbeiter spielt derweil für die Vorgesetzten kaum eine Rolle, wenn sie etwas delegieren, dabei würden sich die Mitarbeiter wünschen, dass ihr Chef auch dies im Auge hat.
Relativ schlecht kommen Führungskräfte auch in einer weiteren jüngst publizierten Untersuchung weg. Professor Dr. Holger Rust veröffentlichte in seinem Buch 'Die dritte Kultur im Management' Ergebnisse einer Langzeitstudie des Instituts für Soziologie und Sozialpsychologie an der Universität Hannover (Rust berichtet ausführlicher in der Ausgabe managerSeminare 142). In mehreren Befragungswellen wurden zwischen dem Jahr 2000 und 2009 Wirtschaftsstudenten und junge Berufseinsteiger (Young Potentials) dazu befragt, welche Eigenschaften die ideale Führungskraft aus ihrer Sicht haben sollte, ob sie diese Eigenschaften bei den amtierenden Managern erkennen können und wie sie sich selbst im Hinblick auf die Ideal-Eigenschaften einschätzen.
Studenten und Young Potentials vermissen MitarbeiterorientierungResultat: Auch die hier Befragten meinen – und das konstant über die Jahre hinweg – an der herrschenden Führungsgilde vor allem einen Mangel an Mitarbeiterorientierung zu beobachten – wobei sich diese Mitarbeiterorientierung aus Sicht der Befragten zuvörderst darin zeigen sollte, dass die Führungskräfte selbst lernbereit sind, Wert auf die Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter legen und mit ihren Angestellten häufig kommunizieren. Jedoch sind Kommunikation, Offenheit, Mitarbeiter-Inspiration und -Förderung aus Sicht der Befragten schlecht ausgeprägte Faktoren an der Führungsfront. In ergänzenden Gesprächen konnten Manager der älteren Garde die Ergebnisse übrigens durchaus nachvollziehen. Indes: Sich selbst sahen die Befragten meistens in deutlich positiverem Licht. Wen wundert es?
Manager selbst sagen, dass sie Spaß am Umgang mit Mitarbeitern habenAuch die Selbstsicht der Führungskräfte, die in einer aktuellen Erhebung der Akademie für Führungskräfte zu Wort kommen, ist verständlicherweise deutlich weniger negativ als die Außensicht von Mitarbeitern, Studenten und Young Potentials. An der Studie haben sich 547 Manager beteiligt. Was den Führungskräften dieser Untersuchung zufolge in ihrem Job am meisten Spaß macht, ist das Anleiten und Fördern von Menschen. Fast 53 Prozent der Befragten nannten diesen Faktor. Allerdings gaben nur wenige an, dass das Finden und Binden von Talenten ihnen besondere Freude bereitet. Immerhin jedoch wissen die Manager laut Studie um die Bedeutung der Talentförderung: Nur rund 13 Prozent fanden diese Aufgabe unwichtig. Und gut 20 Prozent der Befragten wünschen sich, dass sie für die Förderung von Talenten mehr Zeit aufwenden könnten, als es derzeit der Fall ist.
Wenn es darum geht, Mitarbeiter zu motivieren, setzen die meisten laut eigener Aussage auf Wahrhaftigkeit und Authentizität. Fast 60 Prozent gehen davon aus, sich im Privatleben nicht anders zu geben und zu verhalten als im Job. Dazu passt, dass gut 50 Prozent glauben, durch Lern- und Lebenserfahrung außerhalb des Unternehmens auf ihre aktuelle Führungsrolle vorbereitet worden zu sein. Das sind in etwa genauso viele wie jene, die erklären, dass sie durch Training führungsfit geworden sind. 68 Prozent meinen laut Studie, dass sie durch Training-on-the-Job in ihrer vorherigen Position auf den Chefposten vorbereitet wurden. Zehn Prozent beklagen allerdings, durch überhaupt nichts auf ihre Führungsaufgaben hin entwickelt worden zu sein.