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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Martin Wehrle aus managerSeminare 298, Januar 2023
Wie gehe ich als Führungskraft mit Widerspruch um? Zum Beispiel sagt ein Mitarbeiter: „Es hat keinen Zweck, dass wir dieses neue Projekt anstoßen, wir sind in der Vergangenheit mit ähnlichen Ideen gescheitert.“ Die meisten Führungskräfte würden direkt widersprechen, etwa so: „Ich finde, du kannst das neue Projekt nicht mit dem alten vergleichen. Diesmal haben wir nämlich …“ Wie wirkt diese Replik wohl auf den Mitarbeiter, der sich vielleicht ein Herz für seinen offenen Widerspruch nehmen musste? Fühlt er sich gehört und gewürdigt? Wohl eher gewinnt er den Eindruck, die Führungskraft habe seinen Widerspruch vom Tisch gewischt?
Im Coaching gibt es eine Methode, wie sich auf konträre Äußerungen sanfter reagieren lässt: die Teil-Zustimmung. Sie trägt folgender Wahrheit Rechnung: Egal, was ein Mensch sagt, fast nie hat er komplett Unrecht – schon gar nicht subjektiv, denn jede und jeder bastelt sich seine eigene Wirklichkeit. Bedeutet: Wenn etwa jemand die Meinung vertritt, das neue Projekt habe „keinen Zweck“, dann tue ich als Führungskraft gut daran, das zu respektieren und den Einwand anzunehmen. Wobei natürlich nicht der Eindruck vermittelt werden sollte, man stimme der Aussage zu, die aus eigener Sicht schließlich falsch ist.
Dieser Balanceakt gelingt, indem wir uns in solchen Fällen fragen: Welchem Teil dieser Aussage kann ich zustimmen? Und welchem Teil widerspreche ich? Wer diese Methode ausprobiert, wird staunen, dass sich auch in konträren Positionen immer ein Körnchen der eigenen Wahrheit finden lässt. Und genau dieses Körnchen gilt es zu würdigen.
Eine entsprechende Reaktion in unserem Beispiel könnte etwa so lauten: „Du hast völlig recht damit, dass wir aus den gescheiterten Projekten der Vergangenheit etwas lernen müssen, um diesmal reibungslos ans Ziel zu gelangen. Genau das haben wir getan durch … Und deshalb bin ich optimistisch, dass …“ Vergleichen wir die beiden Fassungen – den direkten Widerspruch („Nicht vergleichbar!“) und diese Teil-Zustimmung, die in der zweiten Hälfte dieselbe Botschaft wie die erste Fassung transportiert: Jetzt hat der Mitarbeiter das Gefühl, dass sein Widerspruch wirklich gehört worden ist. Weitere Formulierungspaare, mit denen sich Teil-Zustimmungen gut einleiten lassen: „Ja, das kann gut sein, denn … Auf der anderen Seite sieht es so aus, als ob …“ Und: „So würden das viele an deiner Stelle sehen, völlig klar, denn … Ein neutraler Betrachter würde vielleicht anmerken, dass …“
Es macht einen himmelweiten Unterschied, ob wir einen Widerspruch erst einmal annehmen oder ihn gleich von uns abprallen lassen. Vor allem dann, wenn die Teil-Zustimmung nicht in erster Linie als rhetorische Technik verwendet wird, sondern wir tatsächlich alles tun, um Widersprüche zu prüfen und Einwände abzuwägen. Nur wer konträre Positionen wirklich ernst nimmt, schafft es glaubhaft, diesen Eindruck auch sprachlich zu transportieren. So lässt sich eine gute Beziehung auch bei Differenzen in einer Sache bewahren.
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