Führung meets Coaching
Führung meets Coaching

Probleme vergleichsweise lösen

Wie wir anderen helfen können, mittels Vergleichen klarer zu sehen und zu Lösungen zu kommen, erläutert Martin Wehrle aus Coachingperspektive.

Wer bisweilen lange auf einem Problem herumkaut, kennt dieses Gefühl nur allzu gut: Man entdeckt keine neuen Aspekte mehr, sondern dreht sich im Kreis. Als würden in einem Kreuzworträtsel ein paar Wörter fehlen, auf die man im zehnten Versuch genauso wenig kommt wie im ersten. Wann immer jemand den Rat bei uns sucht, hat er diesen Prozess bereits durchlaufen. Er oder sie hat zahlreiche Anläufe genommen, aber kam nicht ans Ziel.

Als Ratgebende laufen wir Gefahr, mit unserem Gegenüber Schleifen zu wiederholen, die es selbst schon gedreht hat – was dann zum exakt selben Ergebnis führt: keinem. Es sei denn, wir machen das, was Coachs häufig tun: Wir führen einen treffenden Vergleich ein. Ein großer Vorteil von Vergleichen: Sie sorgen für Dissoziation. Das Gegenüber schaut von außen, statt selbst im Problem festzustecken. Dieser Abstand verhilft zu neuen Erkenntnissen – zumal Vergleiche spielerisch sind, für Auflockerung sorgen und so das Denken und die Kreativität anregen.

Ein Beispiel aus der Coachingpraxis: Ein Abteilungsleiter erzählt im Coaching von Problemen mit seinem Team. Viele Aufgaben, die er zu delegieren versucht, landen wieder auf seinem eigenen Tisch – und er erledigt sie dann selbst. Anweisungen, die er gibt, werden oft ignoriert. Und wenn jemand in seinem Team ein Problem hat, erfährt er es oft erst, wenn es schon zu spät ist. Bislang sagt der Abteilungsleiter Sätze wie: „Es wäre schön, wenn ich früher davon erfahren hätte.“ Oder: „Eigentlich finde ich schon, dass du diese Aufgabe noch hättest übernehmen können.“ Letztlich gibt er aber fast immer nach und lässt es so laufen, wie es eben läuft.

Ich fragte ihn: „Mal angenommen, Sie wären Fußballtrainer. Und Sie beauftragen einen Ihrer Spieler damit, einen gegnerischen Stürmer zu bewachen. Aber er sagt: ‚Trainer, mach das doch selbst. Ich will das nicht.‘ Würden Sie dann selbst auf den Platz laufen?“ Der Abteilungsleiter verneinte die Frage energisch und sagte: „Aber das ist doch etwas anderes! Wir haben eine flache Hierarchie und sind alle sehr eng miteinander verbunden.“ „Wirklich?“, fragte ich zurück. „Fußballtrainer verstehen sich ja auch als Teil des Teams und verhalten sich den Spielern gegenüber zumeist kollegial.“ Woraufhin er nickte und anfing, Parallelen zu erkennen. Ihm wurde bewusst, dass es nicht nur grotesk ist, wenn der Trainer den Job eines Spielers erledigt – sondern auch, wenn der Chef den Job eines anderen Teammitglieds erledigt, nur weil dieses keine Lust darauf hat.

Im Gespräch führte ich die Metapher fort. „Angenommen, Sie würden als Trainer eine Taktik vorgeben, aber ein Spieler tut genau das Gegenteil, obwohl Sie ihn mehrfach erinnern. Wie würden Sie reagieren?“ – „Zuerst würde ich das Problem ganz klar ansprechen und ihn dann erst einmal auf die Bank setzen“, antwortete er prompt. Und ich fragte zurück: „Wie könnte das aussehen, wenn Sie in Ihrem Team genauso vorgehen?“

Durch diesen Vergleich gelang es nicht nur, konkrete Lösungsvorschläge zu entwickeln, sondern es wurde auch das Rollenverständnis des Abteilungsleiters gestärkt: Ihm wurde klar, dass er – auch wenn er sich in erster Linie als „Kollege mit besonderer Verantwortung“ sah – über sein Weisungsrecht nicht nur verfügen, sondern es im Zweifelsfall auch anwenden und durchsetzen muss.

Immer wenn jemand mit einem Problem zu uns kommt, oder wir auch selbst auf einem Problem herumkauen, macht es Sinn, sich zu fragen: Welcher Vergleich kann für eine neue Sichtweise sorgen? Viele (vermeintlich) knifflige Probleme lassen sich „vergleichsweise“ einfach lösen.

Der Autor: Martin Wehrle ist Karrierecoach und Coachausbilder mit eigener Akademie in Hamburg. Sein aktuelles Fachbuch heißt „Die Coaching-Schatzkiste“. Kontakt: karriereberater-akademie.de

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