Führung meets Coaching
Führung meets Coaching

Den Fehler zum Freund machen

Martin Wehrle stellt eine Übung vor, mit der sich Fehler konstruktiv reflektieren lassen.

Ganz egal, wie zuverlässig wir arbeiten, im Laufe der Zeit begehen wir Fehler. Zu diesen nehmen Menschen oft eine irrationale Perspektive ein – sie wollen verändern, was nicht mehr zu verändern ist: „Hätte ich bloß …“, „Wäre ich doch …“, „Warum habe ich nicht …“ Auf diese Weise wird der Fehler zum Energie- und Konzentrations-Räuber.

Im Coaching hat es sich bewährt, den Fehler in einer völlig neuen Rolle zu personifizieren: als Freund. Zum Beispiel habe ich neulich einen Manager gefragt, der mit einer Fehlentscheidung haderte: „Mal angenommen, dieser Fehler war Ihr Freund, er wollte Ihnen etwas wirklich Gutes tun. Was genau könnte das gewesen sein?“ Der Manager kniff die Augen zusammen: „Wollen Sie mich jetzt zum positiven Denken bekehren?“ Solche Widerstände sind typisch, in ruhigem Ton fuhr ich fort: „Ich möchte Sie einladen, den Fehler von allen Seiten zu betrachten – so wie Sie in Ihrer Bilanz nicht nur auf das Soll, sondern auch auf das Haben schauen. Es steht Ihnen frei, am Ende der Übung zu sagen: ,Dieser Fehler ist nicht mein Freund, sondern ein schlimmer Feind!‘“ Meine Antwort ging bewusst mit dem Widerstand, statt gegen ihn anzureden. Und ich griff zu einem Vergleich aus der Lebenswelt des Klienten. Auf dieser Basis ließ er sich auf die Übung ein.

Ich sprach weiter: „Also, wenn der Fehler Ihr Freund ist, dann verfolgt er eine gute Absicht. Dann bringt er Sie vorwärts, dann sagt er konstruktive Sätze zu Ihnen. Und ich lade Sie jetzt ein, diese Sätze zu Ende zu führen. Denken Sie daran: Sie sprechen nicht aus der eigenen Perspektive – Sie sprechen als Ihr Freund, der Fehler.“ Ich bat ihn, sich dazu auf einen anderen Stuhl zu setzen, um den Rollenwechsel zu verdeutlichen. Nun sagte ich zu ihm: „Ich, der Fehler, bin nur deshalb aufgetaucht, weil ich dich auf etwas Wichtiges hinweisen will, und zwar …“ Der Manager grübelte eine ganze Weile, ehe er den Satz vollendete: „… hinweisen darauf, dass ich die Qualität der Entscheidung über die Geschwindigkeit stellen sollte. Ich glaube, ich neige im Tagesgeschäft dazu, dass ich allzu schnell Nägel mit Köpfen mache. In diesem Fall hätte ich noch mal Rücksprache mit einem externen Fachmann nehmen sollen.“

Ich bot ihm noch ein paar Satzanfänge ähnlicher Art an: „Ich, der Fehler, möchte dir in Zukunft ersparen, dass …“, „Ich, der Fehler, kann eine wichtige Sache verändern, und zwar …“, „Ich, der Fehler, möchte dich ermutigen zu folgender neuen Denkweise …“ Interessanterweise fand der Manager immer mehr Freude an der Übung, je länger sie dauerte. Plötzlich sah er den Fehler als Chance und nicht mehr als einzigen Reinfall. Die destruktive Energie schlug in konstruktive um. Verändert hatten sich nicht die Fakten, nur die Art, wie er darauf blickte.

Mit dieser Übung lassen sich Fehler auch in Eigenregie reflektieren. Ebenso können mit ihr Teammitglieder dazu gebracht werden, Fehler mit neuen Augen zu betrachten. Durch einen solchen Zweiklang aus Vorleben und Weitergeben lässt sich mit der Zeit eine neue Fehlerkultur anstoßen.

Der Autor: Martin Wehrle ist Karrierecoach und Coachausbilder mit eigener Akademie in Hamburg. Sein aktuelles Fachbuch heißt „Die Coaching-Schatzkiste“. Kontakt: www.karriereberater-akademie.de

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