Ein Mitarbeiter beklagt sich bei seiner Führungskraft über seine Kollegen. 'Die sind einfach unfähig. Sie kümmern sich um nichts. Sie verlassen sich immer auf mich – als wären sie Kinder, die genau wissen: Der Alte wird es richten!' Die Führungskraft könnte an dieser Stelle genauer nachhaken, den Mitarbeiter bitten, Beispiele zu nennen, ihn auf seine eigene Verantwortung für die Gestaltung der Beziehung zu seinen Kollegen hinweisen. Vielleicht schiebt sie damit eine nützliche Diskussion an, in deren Verlauf der Mitarbeiter auch sein eigenes Verhalten reflektiert – vielleicht aber auch nicht. Mit Sicherheit aber setzt sie eine solche in Gang, wenn sie ihn provoziert: 'Wann haben Sie beschlossen, Ihre Kollegen von jeder Verantwortung zu befreien und diese selbst zu übernehmen?'
Solche provokanten Fragen – diese gehört übrigens zum Typus des 'kreativen Missverstehens' – sind zwar eigentlich ein Instrument aus dem Coaching, lassen sich aber auch im Führungskontext nutzen. Vorausgesetzt: Die Führungskraft weiß, worauf bei deren Formulierung zu achten ist, in welchen Situationen sie angewendet werden können und wie sie wirken oder – besser gesagt – was sie beim Gegenüber bewirken.
Zuerst einmal treiben sie die emotionale Betriebstemperatur des Gesprächspartners nach oben. Derart aufgeheizt, gibt dieser leicht spontane Antworten, die er sonst – zum Beispiel aus taktischen Überlegungen heraus – nie geben würde. Darüber hinaus lassen provokante Rückfragen die Gedanken des Gegenübers aus dem Gleis der Gewohnheit springen. Und das ist eine gute Voraussetzung dafür, die alte Sicht der Dinge einer Revision zu unterziehen und neue Standpunkte auszuprobieren.
Extras:Die Kunst des Provozierens: Vier Regeln
Literaturtipp: Martin Wehrles Buch
'Die 500 besten Coaching-Fragen'