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Dr. Roman Jaich über die Reform der Bildungsfinanzierung

'Das neue Bildungsspargesetz reicht nicht aus'

Die Weiterbildung wird durch die öffentliche Hand nur unzureichend finanziell unterstützt. Zu diesem Urteil gelangt die Hans-Böckler-Stiftung in ihrem Gutachten zur Zukunftsfähigkeit des Bildungssystems. Im Interview erklärt Projektleiter Dr. Roman Jaich, warum nicht nur mehr als acht Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr in die Weiterbildung fließen müssen, sondern warum es auch neuer Strukturen bedarf.


Herr Dr. Jaich, Sie sind in einem aktuellen Gutachten zu dem Schluss gekommen, dass die öffentliche Hand bei Weitem nicht genug zur Förderung der Weiterbildung tut. Was läuft falsch?

Dr. Roman Jaich: Wenn man sich das Fördersystem der Weiterbildung in Deutschland anschaut, merkt man, dass dieses „System“ sehr unsystematisch ist. Hier und da werden einige Berufsgruppen gefördert, etwa nach dem AFBG, dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz. Man kann Weiterbildung von der Steuer absetzen. Und hier und da gibt es Förderangebote für Einzelne oder Unternehmen, oft auf der Ebene der Bundesländer. Aber von einem stimmigen System kann keine Rede sein: Viel zu viele Menschen fallen aus dem System heraus, das heißt, sie nehmen nicht an Weiterbildung teil.

Immerhin hat die Regierung gerade das Modell der Bildungsprämie und des Bildungssparens auf den Weg gebracht, das nicht zuletzt die Weiterbildungsquote unter Geringverdienern erhöhen soll ...

Jaich: Ich glaube, dass dieses Gesetz nicht ausreicht. Die Prämie von 154 Euro, die Weiterbildungswillige erhalten, ist viel zu gering, um die Weiterbildungspartizipation zu erhöhen. Die reicht bestenfalls für einen VHS-Kurs. Die zweite Komponente – das so genannte Bildungssparen – ist eigentlich gar kein richtiges Bildungssparmodell. Das Vermögensbildungsgesetz wurde so modifiziert, dass man nun Geld für Bildungszwecke vorzeitig entnehmen kann, ohne dadurch einen finanziellen Nachteil zu erleiden. Dennoch ist der Anreiz gering, das zu tun, denn Bildung gerät hier in Konkurrenz zu anderen Verwendungszwecken. Auf der einen Seite ist da etwas sehr Konkretes – möglicherweise ein Eigenheim. Auf der anderen Seite steht etwas sehr Abstraktes, nämlich die Bildung, bei der nicht einmal sicher ist, dass es sich am Ende auch lohnt, dort hineinzuinvestieren. Besserverdienende wiederum können weder die Möglichkeit des Bildungssparens in Anspruch nehmen noch die Prämie, aber ein Bildungsdarlehen aufnehmen. Das alles ist Stückwerk.

Wie könnte eine sinnvollere Alternative aussehen?

Jaich: Nötig wäre ein umfassendes Weiterbildungssystem, das so beschaffen ist, dass es allen Gruppen den Zugang zur Weiterbildung ebnet. Eines der größten Probleme sehe ich derzeit darin, dass die Weiterbildungsförderung von Erwerbslosen in den vergangenen Jahren im Zuge der Hartz-Reformen stark zurückgeschraubt worden ist. In diesem Bereich werden schlicht mehr Finanzmittel benötigt, um zumindest das Level von 2002 wieder zu erreichen. Man könnte z.B. darüber nachdenken, einen Teil der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für Bildungszwecke zu fixieren. Weiterhin würde es sich lohnen, das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz auszuweiten. So, dass mehr Menschen als bisher diese Fördermöglichkeit nutzen können. Bisher haben nur bestimmte Berufsgruppen Anspruch auf Förderung nach dem AFBG, Hochschulabsolventen sind z.B. völlig ausgeschlossen. Und nach dem AFBG werden auch nur Fortbildungen gefördert, mit denen ein hohes Level, etwa ein Meistertitel, angestrebt werden. Erst wenn die Lücken im AFBG geschlossen sind, wenn zusätzlich die Weiterbildungsförderung von Erwerbslosen aufgestockt wird und auch noch die betriebliche Weiterbildung geregelt ist, dann kann man meines Erachtens darüber nachdenken, ob man zusätzlich auch noch ein Bonussystem wie das Bildungssparen anbieten will oder nicht.

Was die betriebliche Weiterbildung angeht, von der Sie gerade sprachen: Wieso sollte der Staat hier überhaupt in der Pflicht sein? Weiterbildung liegt auch im Interesse der Unternehmen. Da sollte man doch erwarten, dass sich Firmen dafür engagieren.

Jaich: Sie tun es aber leider nicht in ausreichendem Maße. In diesem Bereich wird viel zu wenig investiert. Allerdings geht es weniger darum, dass die öffentliche Hand bei der betrieblichen Weiterbildung finanziell in die Bresche springt. Öffentliche Verantwortung heißt hier vielmehr: Es bedarf einer Regelung, die die Unternehmen in stärkerem Maße dazu ermuntert, sich in der betrieblichen Weiterbildung zu engagieren.

Sie schlagen ein Fondsmodell vor. Das aber stößt in der Wirtschaft auf wenig Gegenliebe.

Jaich: Tatsächlich wehren sich die Unternehmensverbände vehement gegen Bildungsfonds. Dem Fondsmodell zufolge müssen die Unternehmen zunächst Geld abgeben, um später, wenn sie Weiterbildungsmaßnahmen durchführen wollen, Geld zurückzuerhalten. Das erscheint ihnen zu fremdbestimmt. In der Praxis hat sich allerdings bisher gezeigt, dass Unternehmen, wenn sie in Sachen Weiterbildung freie Hand haben, wohl aufgrund von Kosten- und Renditedruck eben nicht so viel investieren wie wünschenswert wäre. Nur selten gibt es eine langfristige Personalentwicklung. Ein obligatorisches Abgabesystem würde die Unternehmen der Versuchung widerstehen lassen, an der Weiterbildung zu sparen.

Weil sie schon eingezahlt haben und daher unter Zugzwang sind, Weiterbildung anzubieten, weil sie auch etwas von dem eingezahlten Geld haben wollen?

Jaich: Genau. Wichtig ist allerdings die Beratung, insbeson-dere die von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Denkbar wäre z.B., dass die Einrichtung, die die Bildungsfonds verwaltet, auch für Bildungsberatung zuständig ist. Ich glaube, dass viele der bestehenden Förderinstrumente in Deutschland zum großen Teil eben deshalb nicht in Anspruch genommen werden, weil es keine ausreichende Beratung gibt, die die Unternehmen bei der Aufstellung ihrer Entwicklungspläne in Anspruch nehmen könnten. So wie es im Übrigen auch bei der Beratung des Einzelnen, der sich um seine Weiterbildung kümmern will, hapert. Auch auf dieser Ebene bedarf es eines flächendeckenden Beratungssystems, das z.B. auf kommunaler Ebene verankert ist.

Sie haben ausgerechnet, dass für die substanzielle Verbesserung des Weiterbildungsbereiches zusätzlich acht Milliarden Euro pro Jahr nötig sind. Woher soll das viele Geld kommen?

Jaich: Es fließt derzeit bekanntlich wieder mehr Geld in die öffentlichen Kassen. Weil jedoch Wahlen anstehen, wird gleich wieder über Steuersenkungen diskutiert. Das war auch der Anlass für unser Gutachten. Denn wir sind davon überzeugt, dass Steuersenkungen der falsche Weg wären. Es gibt gewerkschaftsnahe Reformvorschläge für ein anderes Steuerkonzept, das es gewähren würde, dass größere Summen in die öffentlichen Kassen fließen können, die dann für Weiterbildungszwecke genutzt werden könnten.

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