Vorschriftsfanatiker, Buchstabengläubige, Paragraphenreiter – die Sprache kennt viele, meist unerfreuliche Ausprägungen blinder Regelbefolgung. Wobei meistens nicht die Regeln an sich das Problem sind, sondern das sklavische, phantasielose Einhalten derselben – ohne Rücksicht auf die Umstände. Dienstanweisungen, Normen und zum Teil auch Gesetze sind jedoch kein Selbstzweck, sondern geschaffen worden, um das Zusammenleben zu erleichtern, um Orientierungshilfen zu geben. Sie sind daher zwar immer zu beachten – unter Umständen bedeutet das jedoch, sie nicht zu befolgen.
Im ethischen Verständnis ist die Unterscheidung zwischen 'Beachten' und 'Befolgen' von Regeln sehr wichtig. Um das zu erklären, muss ich weiter ausholen: Letztlich geht es dabei um Freiheit, die die entscheidende Prämisse für ethisches Handeln ist. Unsere Wirtschaft, die ganze Idee des Unternehmertums lebt von der Annahme, dass freies Handeln einen Unterschied macht. Dass Handlungen durchgeführt oder unterlassen werden können – und dass das Folgen hat. Anders gesagt: Kein Wirtschaftslenker will sich in einer Welt bewegen, in der alles vorherbestimmt ist und ihm nur die Statistenrolle zukommt, der Vorsehung die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Aus diesem Selbstverständnis erwächst eine ethische Pflicht: Wenn wir uns als frei handelnde Menschen verstehen zu wollen, müssen wir nach Wegen der bewussten Gestaltung unserer Umwelt suchen.