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DIN 33430: Chaos statt Ordnung

Eine DIN-Norm - das verheißt klare, vernünftige Standards, auf die sich alle einigen. Dass die Wirklichkeit anders aussieht, zeigen die Streitereien um die Anwendung der DIN 33430: Die einen halten sie für das Nonplusultra in der Eignungsdiagnostik, die anderen nennen sie unpraktikabel und einige setzen sie nach eigenem Gusto ein - was alles andere als im Sinne der Erfinder ist.

Sie sollte mehr Transparenz in die Eignungsbeurteilung bringen. Zurzeit aber sorgt die im Juni 2002 vom Deutschen Institut für Normung e.V., Berlin, veröffentlichte DIN 33430 eher für Konfliktstoff als für Klarheit. Die Hauptakteure in dem Streit, der im Herbst 2003 beinahe vor Gericht endete, sind der Berufsverband Deutscher Psychologen (BDP), der an der Entwicklung der Norm beteiligt war, sowie Professor Dr. Walter Simon, Bad Nauheim, in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der Qualitätsgemeinschaft Q-Pool und als Geschäftsführer des Verbandes für die Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen und Qualitätsstandards e.V. (ZQS): Simon hatte zwei eignungsdiagnostische Verfahren - das vom Institut Scheelen, Waldshut-Tiengen, vertriebene Verfahren Insights MDI und das von der Firma GMP, Deutschlandsitz in Emsdetten, offerierte Verfahren DNLA als normkonform zertifiziert. Die von ihm ausgestellten Urkunden nutzen die Anbieter nun als Marketingargument für ihre Produkte. Genau dies hat den BDP bzw. jene Fraktion des BDP, die die offizielle Richtung des Verbandes bestimmt, auf die Palme gebracht.

Grundsätzlich lehnt der Psychologenverband Zertifizierungen in Anlehnung an die DIN-Norm nicht ab. Im Gegenteil: Im nächsten Jahr will er ein Curriculum u.a. für Personaler anbieten, das in die Geheimnisse der Norm einführt und voraussichtlich mit einer Zertifizierung abschließt. Auch Organisationen sollen sich in Anlehnung an die Norm zertifizieren lassen können. Davon abgesehen gilt: Da die Norm rechtlich nicht verbindlich ist, kann sich grundsätzlich jeder zum Zertifizierer ernennen - prinzipiell also auch Walter Simon. Was er sich aus Sicht des Verbandes indes zu Schulden kommen lassen hat, ist etwas anderes: 'Das Problem besteht darin, dass Simon einzelne Produkte in Anlehnung an die DIN-Norm zertifiziert hat. Bei DIN 33430 handelt es sich jedoch ausdrücklich nicht um eine Produktnorm, sondern um eine Prozessnorm', so Fredi Lang vom Referat für Fachpolitik des BDP.

Unterlassungserklärungen unterzeichnet

Will heißen: Die Norm betrifft die Qualität des gesamten Prozesses der Eignungsdiagnostik und kann deshalb nicht auf ein einzelnes Verfahren, das dabei zum Einsatz kommt, angewendet werden. 'Ein Verfahren kann qualitativ noch so hochwertig sein, worauf es ankommt, ist jedoch, wie es angewendet wird,' erläutert Lang. Dass die Anbieter der auditierten Produkte nun mit dem Zertifikat werben, suggeriert dem BDP zufolge den Unternehmen, dass ein eignungsdiagnostischer Prozess der DIN-Norm gerecht wird, wenn darin das entsprechende Verfahren zum Einsatz kommt. Dass ein Instrument den Kriterien entspricht, die die Norm an solche Instrumente etwa im Hinblick auf Validität, Reliabilität usw. heranträgt, lasse aber noch lange nicht darauf schließen, dass es normgerecht eingesetzt werde.

Wütend über die 'irreführende Werbung' besagter Anbieter, verklagte der BDP deshalb den Q-Pool auf Unterlassung - zunächst weil er für das Verfahren DNLA eine Urkunde ausgestellt hatte. Der Verband zeigte sich besonders empört, als Q-Pool-Vorstandsmitglied Simon - diesmal in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der ZQS - noch vor der Unterzeichnung der Unterlassungserklärung ein weiteres Zertifikat für das Verfahren Insights ausstellte. Eine erneute Abmahnung an die ZQS hatte zur Folge, dass Simon eine noch weiter reichende Unterlassungserklärung unterschrieb, in der er sich verpflichtete, durch seine Wortwahl in keiner Weise den Eindruck zu erwecken, dass ein Verfahren nach der DIN 33430 begutachtet worden ist. Simon selbst zeigt sich irritiert ob der Querelen: 'Ich habe die Unterlassungserklärungen nur unterschrieben, weil ich glaube, es lohnt sich einfach nicht, über die Norm einen Prozess zu führen', so der Professor für Human Ressources Management.

Ein gutes Instrument steht nicht für einen guten Prozess

Simon, der die Urkunde für Insights im Hinblick auf die Formulierungen noch einmal überarbeitet hat, doch auch damit beim BDP auf Ablehnung stößt, sieht nicht ein, dass die Norm, in der durchaus viele Qualitätskriterien für in der Eignungsdiagnostik eingesetzte Produkte aufgeführt sind, nicht auch zur Bewertung solcher Produkte herangezogen werden kann. Ähnlich geht es Hagen Seibt, der als externer Gutachter die Urkunde für das Verfahren DNLA mitunterzeichnet hat: Als BDP-Mitglied hat Seibt zwar die Entwicklung der DIN Norm begleitet, gehört aber auch zu jenen, die scharf kritisieren, dass sie auf den Prozess und nicht auf einzelne Produkte bezogen ist: 'Für die Abnehmer, also die Unternehmen, wäre es sinnvoller gewesen, einen Kriterienkatalog zu haben, mit dem sich Tests zur Eignungsdiagnose bewerten lassen', meint Seibt.

So sind die Querelen über die Zertifizierung also auch darauf zurückzuführen, dass sich die Geister darüber scheiden, was die Norm sein und leisten sollte: Simon und Seibt gehören zum Kreis derer, die eine Produktnorm grundsätzlich lieber gesehen hätten. Eine weitere Facette der Debatte ist, dass der BDP darüber hinaus kritisiert, dass mit DNLA und Insights MDI Instrumente zertifiziert worden sind, deren Qualität und Nutzen im Rahmen der Eignungsdiagnose in Zweifel gezogen werden kann. Dagegen wiederum verwahren sich Simon, Seibt und Co.: Sie werfen dem Verband vor, neuere Produktentwicklungen nicht in seine Kritik einbezogen zu haben. Die Qualitätsdiskussion geht in dem Gerangel um Zertifizierungsberechtigungen allerdings eher unter - zum Leidwesen der Unternehmen, die - ob mit oder ohne DIN - bei der Auswahl eignungsdiagnostischer Verfahren vor der Qual der Wahl stehen.
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