Der Chef als Coach? Dieses vielfach propagierte Personalentwicklungskonzept ist vielen Mitarbeitern offenbar suspekt. Zumindest nach einer Umfrage zu urteilen, die die Firma Harvest Consultancy, München, in Zusammenarbeit mit dem Internet-Portal MWonline unter 104 Coachees durchgeführt hat, um zu ermitteln, wie diese die Qualität von Coaching-Prozessen beurteilen.
Der Untersuchung zufolge würden sich 51 Prozent der Befragten nicht bedenkenlos ihrem Chef als Coachee anvertrauen. Gestützt wird diese Erkenntnis durch das Ergebnis einer Studie, die unter Leitung von Werner Vogelauer von der Trigon-Entwicklungsberatung im vorigen Jahr zum dritten Mal unter gut 160 Führungskräften und Personalentwicklern durchgeführt wurde.
Der Studie zufolge ist der Anteil des Coachings durch Vorgesetzte mit zehn Prozent zwar immer noch recht hoch. Im Jahresvergleich jedoch zeigt sich: Er hat sich gegenüber dem Jahr 2001 glatt halbiert. Das mag damit zu tun haben, dass sich auch die Gewichtung der Coaching-Themen verschoben hat: Wurden vor vier Jahren im Coaching noch vor allem Alltagsprobleme besprochen, steht heute, laut Vogelauer-Studie, die Reflexion der beruflichen Situation im Vordergrund.
Der Chef allerdings ist Teil der beruflichen Situation; dass er als Coach nicht gefragt ist, erscheint vor diesem Hintergrund nur verständlich. Dazu passt auch, dass nach der Befragung von Harvest Consultancy und MW-online die Verbesserung der Selbstwahrnehmung und Selbstbeurteilung die aktuelle Hitliste der Coaching-Ziele anführt: In psychologische Tiefen, wenn nicht gar Abgründe, lässt man den eigenen Vorgesetzten wohl auch lieber nicht blicken.
Eine Zusammenfassung der Trigon-Studie findet sich im von Werner Vogelauer herausgegebenen Buch 'Coaching Praxis' (Luchterhand, ISBN 3-472-058 06-4, 34 Euro). Die Umfrage-Ergebnisse von Harvest Consultancy und MWonline können per E-Mail angefordert werden.