Bis zum Jahr 2010 will die Bundesregierung jeden zweiten Deutschen über 55 Jahre in Beschäftigung bringen. Erreicht werden soll dies durch ein Paket von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, das die Koalition Ende 2006 unter dem Begriff 'Initiative 50plus' beschlossen hat. Voraussichtlich im Frühjahr 2007 tritt das entsprechende Gesetz in Kraft. managerSeminare erklärt die Eckpunkte des Programms. Kommentiert hat sie Dr. Martin Brussig, Experte für Beschäftigungspolitik beim Institut Arbeit und Qualifikation in Gelsenkirchen.
Eckpunkt 1: Kombilohn für Ältere
Ältere Arbeitslose, die eine schlechter bezahlte Stelle annehmen als ihre vorherige, sollen zwei Jahre lang Kombilohn erhalten können. Dabei gleicht der Staat die Differenz zwischen dem künftigen und dem ehemaligen Nettogehalt im ersten Arbeitsjahr um 50 Prozent und im zweiten Jahr um 30 Prozent aus. Zudem werden die Rentenversicherungsbeiträge für die Dauer von zwei Jahren aufgestockt. Und zwar auf 90 Prozent des Beitrags, den der Arbeitnehmer bei seiner vorherigen Beschäftigung in die Rentenkasse eingezahlt hat.
Kommentar von Dr. Martin Brussig:
Grundsätzlich ist die Erweiterung der Entgeltsicherung sinnvoll. Mit den zweijährigen Gehaltszuschüssen verlängert sich für ehemals Besserverdienende die Anpassungszeit an ein geringeres Gehalt. In dieser sollten sie die Kosten ihres Haushalts runterfahren, also zum Beispiel Versicherungen kündigen. Verringert der Staat nach einem Jahr die Förderung bzw. stellt sie nach zwei Jahren ein, muss daher der Arbeitgeber nicht in die Bresche springen und das Gehalt aufstocken. Das Problem mit der Entgeltsicherung - und daran werden auch die neuen Regelungen nichts ändern - ist aber, dass die Arbeitsagenturen über das Instrument nicht aktiv informieren. Sowohl unter den Arbeitssuchenden als auch in den Unternehmen ist die Entgeltsicherung kaum bekannt.
Eckpunkt 2: Eingliederungszuschuss für die Einstellung Älterer
Arbeitgeber, die ältere Arbeitnehmer nach mindestens sechsmonatiger Arbeitslosigkeit einstellen, erhalten einen so genannten Eingliederungszuschuss. Voraussetzung: Es wird ein Arbeitsvertrag für wenigstens ein Jahr abgeschlossen. Der Zuschuss soll mindestens 30 Prozent und höchstens 50 Prozent des Arbeitsentgelts betragen und mindestens über zwölf, längstens über 36 Monate gezahlt werden.
Kommentar Brussig:
Das Problem mit Eingliederungszuschüssen ist, dass sie die Gefahr von Mitnahmeeffekten bergen. Der Arbeitgeber holt sich also einen Eingliederungszuschuss für eine Person, die er ohnehin eingestellt hätte. Mit 'Eingliederungsgutscheinen' könnte das verhindert werden. Die Arbeitsagentur müsste dann individuell für jeden Arbeitnehmer prüfen, ob sie bereit ist, dessen Einstellung zu bezuschussen. Solche Gutscheine sind in der Diskussion. Grundsätzlich sollte aber gerade für kleinere Betriebe aus dem Dienstleistungssektor, in denen Personalkosten den größten Kostenfaktor darstellen, der Eingliederungszuschuss ein Anreiz sein, ältere Arbeitnehmer einzustellen.
Eckpunkt 3: Förderung der beruflichen Weiterbildung
Die Regelungen zur Weiterbildungsförderung älterer Arbeitnehmer werden erweitert. Künftig sollen Beschäftigte bereits ab 45 Jahren und in Betrieben mit weniger als 250 Beschäftigten Förderleistungen erhalten können (bisher 50 Jahre/bis zu 100 Beschäftigte). Diese erhalten einen Bildungsgutschein, mit dem sie unter Weiterbildungsangeboten wählen können. Voraussetzung: Der Arbeitgeber zahlt während der Zertifizierung weiter das Gehalt.
Kommentar Brussig:
Tatsächlich nehmen ältere Arbeitnehmer im Schnitt deutlich seltener an Weiterbildungsmaßnahmen teil als ihre jüngeren Kollegen. Doch Bildungsgutscheine für Ältere werden daran nichts ändern. Denn nicht die Kosten sind das Problem. Vielmehr ist unter älteren Beschäftigten häufig eine gewisse Weiterbildungsträgheit auszumachen. Dazu kommt, dass das Management den älteren Beschäftigten oft nicht zutraut, Neues zu lernen. Ein Umdenken ist auf beiden Seiten notwendig.
Eckpunkt 4: Befristungsregelung ab dem 52. Lebensjahr
Befristete Arbeitsverträge mit Personen ab dem 52. Lebensjahr sollen zugelassen werden, wenn diese vorher mindestens sechs Monate beschäftigungslos waren. Die Höchstdauer der Befristung soll vier Jahre betragen.
Kommentar Brussig:
An den Befristungsregelungen ist in den vergangenen Jahren so viel herumgeschnippelt worden, dass keiner mehr durchblickt. Weder die Unternehmen und erst Recht nicht die Arbeitnehmer. Die Folge: Beide Seiten scheuen vor befristeten Arbeitsverträgen zu-rück. Ich bin überzeugt, dass die Unternehmen im Prinzip mit jeder Art von Befristungsregelungen leben können. Wenn sie nur Planungssicherheit haben. Die aktuellen Änderungen halte ich daher für kontraproduktiv.