Das Antidiskriminierungsgesetz ist zum Wahlkampfthema avanciert. Union und FDP kündigten an, das Gesetz bei einem Regierungswechsel auf ein Minimalmaß zurechtstutzen zu wollen. Unternehmen sollten sich aber nicht zu früh freuen: Sie werden ihre Personalarbeit so oder so neu justieren müssen.
Jetzt ist es also geschehen: Die rot-grüne Regierung hat das Antidiskriminierungsgesetz (ADG) am 17. Juni 2005 im Bundestag verabschiedet. Mit dem ADG kommt Deutschland seiner Pflicht nach, vier Richtlinien der EU, die unter anderem auch die Personalarbeit in Unternehmen tangieren, in nationales Recht zu überführen. Und zwar reichlich verspätet. So wurde Deutschland bereits vom europäischen Gerichtshof verklagt, weil es die erste der EU-Richtlinien noch nicht umgesetzt hat.
Von Beginn an stieß die rot-grüne Auslegung der Richtlinien auf heftige Kritik von Seiten der Opposition und der Wirtschaft. Es hieß, Rot-Grün übererfülle die Vorgaben aus Brüssel zum Nachteil der Wirtschaft. Die Debatte erreichte mit der ersten parlamentarischen Lesung im Januar 2005 ihren Höhepunkt. Unter anderem im arbeitsrechtlichen Teil des Gesetzes, der die Richtlinie 2000/78 (Schutz vor Diskriminierung wegen Weltanschauung, Religion, Alter, sexueller Orientierung, Rasse und ethnischer Zugehörigkeit in Ausbildung und Beruf) in nationales Recht transferiert, fanden die Kritiker viele Punkte, die über das Ziel hinausschossen: Die Unternehmen sollten einen Anti-Diskriminierungsbeauftragen ernennen. Sie sollten auch für Dritte haften - das heißt z.B. für Kunden oder Lieferanten, die ihre Mitarbeiter diskriminiert haben. Und es waren keinerlei Grenzen für Sanktionszahlungen gesetzt worden.
Ob SPD- oder Unions-ADG: Personaler müssen handeln
Insbesondere in Sachen Arbeitsrecht nahm sich die Regierung die Kritik zu Herzen und besserte nach. Die Opposition hat gleichwohl - vor allem weil ihr die Relativierungen im zivilrechtlichen (!) Teil nicht ausreichen - angekündigt, alles daranzusetzen, die Umsetzung des ADG zu verhindern, was ihr auf Grund der aktuellen politischen Lage auch gelingen dürfte: Sie kann dank der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat und Vermittlungsausschuss das Gesetzgebungsverfahren blockieren, bis im September Neuwahlen stattfinden. Geht sie daraus als Sieger hervor, wäre das rot-grüne ADG vom Tisch.
Für Personaler bedeutet dies aber keineswegs Entwarnung. Denn Fakt ist, dass die Union ein eigenes ADG auf den Weg bringen muss, schließlich steht Deutschland im Herbst schon die zweite Klage des Europäischen Gerichtshofes bevor - diesmal wegen Nicht-Umsetzung der Richtlinie 2000/78. Fakt ist auch, dass sich eine Unions-Version im arbeitsrechtlichen Teil nicht wesentlich von der aktuellen rot-grünen Fassung unterscheiden wird, geht der aktuelle ADG-Entwurf in puncto Arbeitsrecht ohnehin kaum noch über die Richtlinien hinaus. 'Es gibt daran wenig zu beanstanden', urteilt der Bonner Arbeitsrechtsexperte Professor Dr. Georg Thüsing. Im Übrigen lassen die Richtlinien in mancherlei Hinsicht weniger Spielraum als dies manch harsche ADG-Kritik vermuten ließ.
Gerade jener Aspekt, der die Unternehmen vor die Herausforderung stellt, z.B. Bewerbungsverfahren genau zu dokumentieren, nämlich die für den Kläger erleichterte Beweislastverteilung, wird - da schon von Brüssel vorgegeben - auch in einer Unions-Version des ADG erhalten bleiben. Der Arbeitgeber muss demnach selbst beweisen, nicht diskriminiert zu haben, wenn z.B. ein abgewiesener Bewerber glaubhaft nachweisen kann, höchstwahrscheinlich auf Grund eines Merkmals wie seines Alters benachteiligt worden zu sein. 'Die bloße Behauptung, nicht eingestellt worden zu sein, weil man zu alt ist, reicht allerdings bei weitem nicht. Hier müsste schon ein handfester Beweis, etwa ein entsprechender Passus in einem Absageschreiben, her', so Thüsing.
Die Furcht vor einer Prozessflut - wohl unbegründet
Dafür, dass es kaum zu einer Flut von Missbrauchsfällen und damit einer Prozesswelle kommen wird, spricht indes die Historie des Paragraphen 611a des BGH, der die Gleichstellung der Geschlechter regelt. 'Im vorigen Jahr gab es nur vier entsprechende Fälle', berichtet der SPD-Abgeordnete Olaf Scholz, der maßgeblich an der Ausarbeitung des ADG beteiligt war. Scholz sagt: 'Wer nicht diskriminiert, muss auch nicht dokumentieren.' Mit dieser Aussage lehnt er sich allerdings nach Meinung anderer Experten zu weit aus dem Fenster. 'Es wird mit Sicherheit Klagen geben und auch Missbrauchsfälle', meint z.B. Thüsing. Daher gilt: Ums Dokumentieren kommen die Betriebe nicht herum. Doch immerhin: Der Aufwand hat Grenzen. So müssen z.B. Schadenersatzansprüche nach derzeit aktuellem ADG-Entwurf innerhalb von sechs Monaten an ein Unternehmen herangetragen werden, was bedeutet: die Daten, mit denen Bewerbungsprozesse dokumentiert werden, sind nicht unendlich lange zu horten. Zudem ist der Schmerzensgeldanspruch für jene Personen auf maximal drei Monatsgehälter beschränkt worden, die zwar diskriminiert worden sind, doch auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wären. Zudem fällt die Dritthaftung für Unternehmen weg.
Was die Union im arbeitsrechtlichen ADG-Teil vermutlich ändern wird, ist nach Aussage der CSU-Abgeordneten Hannelore Roedel vor allem die Klausel, dass Gewerkschaften und Betriebsräte ohne Auftrag des Einzelnen vor Gericht dessen persönliche Rechte einfordern können. Auch der Passus, dass Firmen ihrer Pflicht zur Vorbeugung vor Benachteiligung speziell mit Mitarbeiter-Schulungen nachkommen sollen, könnte wegfallen. 'Zu teuer', urteilt Roedel.