'Wir brauchen mehr Leader und weniger Manager.' Diese These steht in vielen populären Führungsratgebern. 'Leadership' wird als moderne und heute besonders wertvolle Facette von Führung betrachtet. Wobei die 'Leader' – überzeichnet gesprochen – als emotionale, intuitive und charismatische Visionäre gesehen werden und 'Manager' bisweilen als analytische Technokraten beschrieben sind. Historisch gesehen ist die Bevorzugung von Leadership jedoch eher ein Rückschritt. Denn Leader im Sinne des charismatischen und visionären Menschenführers gab es in vielen politischen und religiösen Führungskontexten schon wesentlich früher als den Manager im Sinne des strukturierten und planvollen Analytikers.
Und das nicht ohne Grund: Viele Führungskontexte in der Menschheitsgeschichte der Vergangenheit waren wesentlich weniger komplex und technisiert, als das heute der Fall ist. Sie waren langsamer und beinhalteten nicht so viele Variablen, die hätten analysiert werden können. Natürlich sind Kriege auch früher strategisch geführt worden. Doch waren die Möglichkeiten der Kriegsführung in denjenigen Zeiten, in denen sich Soldaten mit Säbeln und Prügeln bekämpften, weniger komplex als in Zeiten, in denen die Ausschaltung iranischer Atomanlagen mittels Computerviren geplant und ausgeführt werden muss.
In früheren Zeiten der Menschheitsgeschichte lagen die Sachverhalte den jeweiligen Führern relativ explizit vor Augen. Und das vor allem dann, wenn bestimmte unerschütterliche Prämissen – beispielsweise aus der Religion – ein bestimmtes Verständnis der Sachverhalte erzwungen haben: Wenn das Ausbleiben von Regen als Strafe der Götter für fehlende Opfergaben interpretiert wird, muss man sich keine Gedanken über Meteorologie machen. Und dann kommt es nicht darauf an, mit analytischem Verstand komplexe meteorologische Modelle zu erschaffen.
Extras:- Personalauswahl: Sechs Fragen zur Erfassung analytischer Kompetenz
- Infokasten: Wie zeigt sich analytische Kompetenz?
- Literaturtipp: Hinweis auf einen Fachartikel über Kompetenz und Potenzial