Mit Spannung wurde die diesjährige ASTD-Konferenz in New Orleans erwartet: Würde was anders sein nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001? - Ja, es war anders. Prof. Dr. Schwuchow, der für managerSeminare vor Ort war, bemerkte eine neue Nachdenklichkeit. Erstmals bestimmten Diskussionen über Werte, Verantwortung und Vertrauen die Veranstaltung in den USA.
Bestimmten in der Vergangenheit immer neue Superlative die jährlichen Tagungen der American Society for Training and Development (ASTD), so markierte die diesjährige Veranstaltung vom 2. bis 6. Juni in New Orleans in vielfacher Hinsicht einen Wendepunkt. Nicht nur, dass nach Jahren kontinuierlichen Wachstums erstmals ein Rückgang der Teilnehmerzahl um fast 25 Prozent zu verzeichnen war. Die Stimmung war insgesamt nachdenklicher und '9-11', das amerikanische Synonym für den 11. September 2001, allgegenwärtig. Es schien, als habe die Maxime 'The Business of Business is Business' an Gültigkeit verloren. Stattdessen wurde eine breiter angelegte Sichtweise von Unternehmen, Staat und Gesellschaft und ein neues Werteverständnis gefordert.
Dieser neuen Sichtweise trugen viele der insgesamt mehr als 300 Einzelveranstaltungen in bislang ungewohnter Weise Rechnung. Allen voran die Plenumsveranstaltungen - in der Vergangenheit eher ein Forum für Management-Gurus. Dieses Mal sprach der ehemalige Präsident von Costa Rica, Oscar Arias, der 1987 den Friedensnobelpreis erhielt, über die Verantwortlichkeit der Unternehmen in Zeiten der Globalisierung.
Dabei ging Arias insbesondere auf Fragen der Unternehmensethik sowie der Orientierung der Unternehmensführung an zentralen Werten ein. Kern seiner Botschaft war die Forderung nach Verantwortlichkeit, Integrität, Solidarität und Respekt. Für viele der etwa 9.000 Teilnehmer aus 77 Ländern, die nach New Orleans gekommen waren, neue Töne, die sich jedoch noch mehrfach wiederholten. So fordertet auch die ehemalige NASA-Astronautin Mae Jemison eine breiter angelegte Sichtweise und ein neues, umfassenderes Verhältnis zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst.
Führung muss sich an Werten orientieren
Nachdem in den vergangenen beiden Jahren die e-Learning-Revolution im Mittelpunkt der Diskussionen stand, waren es in diesem Jahr der Wandel der Werte, der Verlust an Vertrauen und die Führungskräfteanforderungen der Zukunft. Dass die Bilanz-Manipulationen bei Enron und anderen Unternehmen zu einem tiefen Vertrauensverlust in die Vorbildfunktion des Managements geführt haben, wurde immer wieder deutlich. 'Wir erleben plötzlich eine Hinwendung zu den Grundelementen einer werteorientierten Führung. Und damit stellt sich bei der Rekrutierung von Mitarbeitern zunächst die Frage, ob ein Mitarbeiter aufgrund seiner Werteorientierung in ein Unternehmen passt', so Wolfgang Rosenkranz von der Team Connex AG aus Böblingen, einer der knapp 50 deutschen Konferenzteilnehmer.
Auch Rita Bailey, Personalmanagerin bei Southwest Airlines, der einzigen Fluggesellschaft, die seit 29 Jahren kontinuierlich Gewinne einfliegt, unterstrich in ihrem Vortrag die Notwendigkeit, die zur Unternehmenskultur passenden Mitarbeiter einzustellen. Bailey verneinte entschieden die Möglichkeit, durch Aus- und Weiterbildung Mitarbeiter in ihren Grundeinstellungen verändern zu können: 'You cannot teach people to be nice!'. Grundvoraussetzung für den Unternehmenserfolg sei die Glaubwürdigkeit und Integrität aller Führungskräfte. In der Rekrutierung der richtigen Mitarbeiter sah auch Markus Zerres, Personalentwickler bei Qiagen in Hilden, die eigentliche Herausforderung und bemerkte bei den vorgestellten Ansätzen eine zunehmende Angleichung der amerikanischen und europäischen Sichtweisen.
e-Learning im Umbruch
Auch wenn e-Learning dieses Jahr nicht das dominierende Thema war, wurde darüber geredet. Tatsächlich nehmen die Aufwendungen für e-Learning weiter zu, doch nach wie vor ist der Anteil mit weniger als neun Prozent im Vergleich zu klassischen Maßnahmen der Personalentwicklung gering - und noch weit von den für 2002 prognostizierten 18 Prozent entfernt. Die Tatsache, dass 70 Prozent aller Teilnehmer an e-Learning-Kursen diese nicht abschließen - so eine Studie von Forrester Research -, stimmt jedoch in keiner Weise zuversichtlich.
Die Zahlen der Studien unterstreichen die Notwendigkeit, eine neue Lernarchitektur und -kultur zu schaffen, die nicht durch isolierte e-Kurse bestimmt wird. Wachsende Bedeutung gewinnen, so Mark Rosenberg von dem Beratungsunternehmen DiamondCluster, die Verknüpfung von e-Learning und Wissensmanagement sowie die Schaffung von Portalen, die dem Lernenden eine aktive Rolle in einem Wissensnetzwerk geben und ihn nicht zum Kurskonsumenten degradieren.
Die parallel stattfindende Bildungsmesse ließ übrigens die Konsolidierung des e-Learning-Marktes deutlich werden. Nach 500 Ausstellern im Vorjahr waren es in diesem Jahr nur 380 Aussteller, die ihre Produkte und Konzepte präsentierten.
Weiterbildung in der Legitimationskrise?
Der wachsende Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung wurde von der ASTD durch steigende Aufwendungen belegt, die im Jahre 2000/2001 bei zwei Prozent der Lohn- und Gehaltssumme lagen. Im Vergleich zu Deutschland (drei Prozent) nach wie vor ein relativ geringer Wert, wobei die von der ASTD identifizierten führenden Unternehmen in der Weiterbildung im Vergleich zu den amerikanischen Durchschnittsunternehmen etwa doppelt so viel investieren. Allerdings nehmen der Zeit- und Kostendruck zu: Die Notwendigkeit kurzfristiger und finanziell messbarer Erfolge bestimmen ebenso wie die Reduzierung der Lernzeiten in immer stärkerem Maße die Weiterbildung, so der ASTD-State of the Industry-Bericht 2002. Bleibt abzuwarten, wie sich die Weiterbildung in Zeiten der Krise entwickelt.
Ingesamt konstatiert die ASTD einen Trend zum Outsourcing von Bildungsleistungen. Weiterhin bemerkt sie einen Wandel in der Organisation der Weiterbildung hin zur Unterstützung von Lernprozessen, zur Förderung von Mitarbeiterpotenzial und zum Performance Management. Eng verknüpft damit ist die Frage, wie Wirkungen der Weiterbildung und der Beitrag zum Unternehmenserfolg sichtbar gemacht werden können. Fragen, die das immer wieder konstatierte Legitimationsproblem lösen würden.
Insgesamt bot die Veranstaltung den deutschen Teilnehmern nichts Bahnbrechendes, doch vermittelte sie einige neue Ideen, Impulse und Kontakte sowie teilweise auch eine Bestätigung eigener Überlegungen. Ob die 56. ASTD-Tagung, die im Mai 2003 in San Diego stattfinden wird, eine neue Aufbruchsstimmung bringen wird?
ASTD-Konferenz auf deutschem Boden
Die ASTD-Konferenz kommt nach Europa: Vom 30. September bis 2. Oktober 2002 findet die erste ASTD-Konferenz in Europa statt und zwar in Potsdam. Ein Mix aus amerikanischen, europäischen und deutschen Referenten - von Ken Blachard bis Rupert Lay - liefern zahlreiche internationale Benchmarks. Das Themenspektrum reicht von Fragen der Führungs-Performance über Aspekte der Leadership-Kompetenz bis zur strategische Ausrichtung der Bildungsarbeit im Rahmen von Corporate Universities.
A Nähere Informationen im Extraheft in managerSeminare 57 (Juni), im Internet unter www.astd.net bzw. unter Tel. 02195-92 69 00).