Management

Tücken organisationaler Selbstbeschreibung
Tücken organisationaler Selbstbeschreibung

Das Leid mit den Leitbildern

Wenn Unternehmen Leitbilder formulieren, dann hoffen sie, dass ihre Mitarbeitenden ihr Handeln automatisch daran ausrichten. Die Realität sieht anders aus: Da begegnen Mitarbeitende – aber auch Kunden – den organisationalen Selbstbeschreibungen häufig mit Spott und Zynismus. Der Grund liegt nicht zuletzt im unbedarften Vorgehen der Unternehmen bei der Entwicklung ihrer Leitbilder. Sieben typische Fehlentwicklungen – und wie sich gegensteuern lässt.

Preview

Fataler Spott: Warum Leitbilder bei den Adressaten oft auf Ablehnung stoßen

Verfehlte Steuerungserwartungen: Wieso man sich von der Idee verabschieden sollte, dass Leitbilder Verhalten steuern können

Falsche Harmonie: Warum es besser ist, die Widersprüche des organisationalen Alltags ins Leitbild aufzunehmen, statt sie darin kommunikativ zu übertünchen

Fader Allerweltsbrei: Warum man Allgemeinplätze im Leitbild vermeiden sollte und wie das gelingt

Verkehrte Prioritäten: Warum die Leitbilderstellung wichtiger ist als die Leitbildverbreitung


Cover managerSeminare 300 vom 17.02.2023Hier geht es zur gesamten Ausgabe managerSeminare 300

Lud man sich vor einigen Jahren eine neue Softwarevariante für seinen Palm Handheld Computer herunter, wurde man vom Installationsprogramm damit überrascht, als Erstes sein persönliches Mission Statement respektive Leitbild eingeben zu sollen. Irritiert fragte man sich, welche Konsequenzen diese Leitbilderstellung zukünftig für die eigene Arbeitsplanung haben wird. Wird der Palm etwa automatisch alle Termine blockieren, die mit dem Leitbild nicht kompatibel sind?

So seltsam uns die Erstellung eines Leitbildes für uns persönlich erscheint, so üblich ist sie in Organisationen. Im Mission Statement – dem Leitbild im engeren Sinn – wird definiert, worin nach Vorstellungen des Managements der Zweck der Organisation liegt. Das Vision Statement legt die längerfristigen Ziele der Organisation fest. Im Value Statement steht, an welchen Werten sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Unternehmen orientieren sollen. Da Informationsüberflutung droht, fassen die meisten Organisationen diese drei Komponenten oft kurzerhand in einem einzigen übergreifenden Leitbild zusammen.

Für die Popularität der Organisationsideologien – und nichts anderes sind Leitbilder – gibt es gute Gründe. So sollen Leitbilder zum Ausdruck bringen, was die Mitarbeitenden, aber auch Kunden, Lieferanten und andere Anspruchsgruppen von der Organisation erwarten können. Leitbilder spielen also eine wichtige Rolle bei der Produktion von Legitimität für die Organisation. Nicht selten werden darüber hinaus aber auch wahre Wunder von ihnen erwartet: Durch sie könnten sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – so eine häufig geäußerte Auffassung – mit den langfristigen Zielen der Organisation identifizieren. Mitarbeitende würden, orientiert am Leitbild, selbstständig „das Richtige“ im Sinne der Organisationsziele tun. Beschlüsse könnten schneller und direkter gefasst werden, Abstimmungen würden reibungsloser verlaufen. Für die Organisation bedeute dies geringere Kontroll-, Koordinations- und Abstimmungskosten, erhöhte Effizienz und wachsende Flexibilität.

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